23.11.2018 12:30 Uhr

Gomez: Torjäger a. D. wird zum Arbeiter

Mario Gomez erlebt beim VfB Stuttgart eine Durststrecke
Mario Gomez erlebt beim VfB Stuttgart eine Durststrecke

Mario Gomez ist im Herbst seiner Karriere beim Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart für die Tore zuständig - eigentlich. Denn für den 33-Jährigen läuft es, wie beim gesamten Team, bislang alles andere als rund. Doch Gomez hat im Ländle ohnehin eine andere Aufgabe. Eine, die derzeit wichtiger erscheint.

Es läuft die 39. Minute im Duell zwischen Aufsteiger Nürnberg und Kellerkind Stuttgart am 11. Bundesliga-Spieltag. VfB-Außenstürmer Nicolás González setzt sich auf der linken Seite gegen zwei Gegner durch, dringt in den Strafraum ein und legt das Leder zurück auf den Elfmeterpunkt. Dort lauert einer, der seinen Torinstinkt schon eindrucksvolle 166 Mal in 308 Ligaspielen unter Beweis gestellt hat. Einer, für den solche Situationen eigentlich wie gemalt sind: Mario Gomez.

Doch der Mittelstürmer verschätzt sich beim Timing, gerät außerdem bei der Direktabnahme etwas in Rücklage. Das Spielgerät landet im Nirgendwo, die nächste Großchance der Schwaben verpufft. Nach Spielende wird Gomez seit 366 Spielminuten auf einen Treffer warten.

Doch was beim Tabellenletzten nach dem desaströsen Saisonstart zählt, ist nicht unbedingt die Torquote des 78-fachen Nationalspielers. Vielmehr setzen die Schwaben auf die Erfahrung ihres Stürmer-Stars. Darauf, dass Gomez die jungen Spieler um sich herum führt. Darauf, dass er in der Kabine die richtigen Worte findet.

VfB-Angreifer Gomez gibt sich als Kämpfer

"Die gestandenen Profis wie Mario Gomez, Holger Badstuber, Ron-Robert Zieler, Andreas Beck, Dennis Aogo und natürlich ich müssen zeigen, dass wir diesem Gegenwind, der jetzt herrscht, standhalten", hatte Führungsspieler Christian Gentner Ende Oktober nach der nächsten VfB-Pleite in Hoffenheim deutlich gefordert: "Wir müssen die anderen Spieler mitreißen." Acht Punkte hat der VfB bisher erst gesammelt, der Druck beim Tabellenschlusslicht ist enorm.

Gomez versucht, diese Rolle einzunehmen, sagte selbst: "Sei es auf dem Platz durch Präsenz, sei es in der Kabine durch Präsenz: Ich versuche, immer positiv zu sein. In Stresssituationen etwas Druck rauszunehmen." Dinge, die man "einfach tut, wenn man 33 ist und nicht mehr 20".

Beim erlösenden 2:0 beim 1. FC Nürnberg am vergangenen Spieltag gelang es Mario Gomez auch auf dem Platz, immerhin die Anspannung ein wenig zu lösen - auch ohne das ersehnte Tor erzielt zu haben. Mit großem Einsatz bestritt er Zweikampf um Zweikampf, rund die Hälfte (47 Prozent) gewann er. Ein starker Wert für einen Stürmer.

Nach Gentner ist der Angreifer außerdem der VfB-Akteur, der in der Liga die meisten direkten Duelle bestreitet. Gegen Nürnberg spulte er bis zu seiner Auswechslung in der Nachspielzeit obendrein 10,36 Kilometer ab. Gomez arbeitet und ackert, Tore sind eher sekundär.

Chancentod Gomez? "Das ist mein Los"

Dennoch weht dem Stürmer in der Öffentlichkeit, beinahe naturgemäß, wieder ein kalter Gegenwind entgegen. Beendet Gomez auch im Krisenduell bei Bayer Leverkusen nicht seine Torflaute, werden die kritischen Stimmen im Umfeld lauter werden. So war es im Fall Mario Gomez seit jeher - egal, ob im Verein oder im Dress der deutschen Nationalmannschaft.

Schließlich kämpfte der 1,89 Meter große Goalgetter in seiner langen Karriere immer wieder mit Ladehemmungen. Stets haftete ihm postwendend das Image als Chancentod und Sündenbock an.

Beim EM-Spiel gegen Österreich vor nunmehr über zehn Jahren, als Gomez aus zwei Metern freistehend das Tor verfehlte, nahm diese Entwicklung wohl seinen Anfang. 2010 machte gar der Ausdruck 'ich habe gegomezt' in der Jugendsprache die Runde - ein Synonym für eine vergebene Chance. "Das ist mein Los, das habe ich gezogen", so der Stürmer einmal.

Mario Gomez gibt sich selbstkritisch

"Er wird auch noch seine Tore schießen", versicherte unterdessen Mitspieler Timo Baumgartl nach dem Nürnberg-Spiel. Das Vertrauen in die Qualität des Routiniers scheint ungebrochen. Auch der neue Trainer in Stuttgart, Markus Weinzierl, unterstrich dies öffentlich.

Kurz nach Amtsantritt stellte der Korkut-Nachfolger klar, seine taktische Ausrichtung auch nach seinem Mittelstürmer auswählen zu wollen. "Wenn ich einen Mario Gomez als Stürmer vorne habe, dann muss er von den anderen Spielern entsprechend gefüttert werden, damit er seine Tore machen kann." Weinzierl lässt den VfB im Gegensatz zu Vorgänger Korkut entsprechend offensiver agieren, was fehlt ist bislang vor allem die Effizienz. 

Der Torjäger a. D. weiß, dass es letztlich auch auf seine Tore ankommt. "Jede Mannschaft braucht einen Torjäger, der die Buden macht. Der bin ich normalerweise - und der werde ich auch wieder sein." 

So passt auch eine weitere Aussage des 33-Jährigen aus den vergangenen Wochen gut ins Bild. "Ich bin sicherlich im Moment noch die Gegenwart beim VfB, aber die Zukunft sind andere Spieler." Bis es soweit ist, wird Gomez weiter im Abstiegskampf schuften müssen.

Gerrit Kleiböhmer

 

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