26.11.2018 16:34 Uhr

Dunajská Streda: Erfolg im falschen Land

"Wir sind ein ungarischer Klub in einer ungarischen Stadt in der Slowakei"

Nein, eine Perle Mitteleuropas ist Dunajská Streda nicht unbedingt. Dennoch hat das 16.000-Einwohner-Städtchen im Südwesten der Slowakei eine spezielle Bedeutung. Es ist die inoffizielle Hauptstadt der ungarischen Minderheit – und der Stolz der Volksgruppe ist ein Fußballverein, der gerade einen sensationellen Höhenflug erlebt: DAC Dunajská Streda. Weltfussball war zu Besuch und traf dort mit dem ehemaligen Sturm-Graz-Trainer Peter Hyballa einen alten Bekannten.

"Wir sind ein ungarischer Klub in einer ungarischen Stadt in der Slowakei. Für die meisten Fans ist die Hauptstadt Budapest, nicht Bratislava", meinte der 43-jährige Deutsche. Und für diese Anhänger – oder besser gesagt für den gesamten Kulturkreis - trägt der Verein wesentlich zur Identitätsstiftung bei.

"Hier leben 85 Prozent Ungarn", erklärte Oszkár Világi, CEO der Tankstellenkette Slovnaft und Klubbesitzer. "Die Lieder der Fans sind auf ungarisch. Die Leute hier sind stolz auf dieses Team. Die alten Frauen gehen in die Kirche und beten für uns", fügte Világi an.

"Ich hatte ja keine Ahnung, als ich hierher gekommen bin. Mein Vertrag war noch nicht unterschrieben, da fand am selben Tag ein Testspiel gegen Ferencváros Budapest statt. 10.000 Leute im Stadion. Bei einem Testspiel. Gegen Real Madrid oder Bayern, ja okay. Aber Ferencváros? Das hat mich doch gewundert", erinnerte sich Hyballa.

Mit einem Schnitt von 7.500 Besuchern pro Spiel ist DAC auch der Zusehermagnet der Liga. Dass das Zugehörigkeitsgefühl der Anhänger im restlichen Land für Reibungspotenzial sorgt, liegt auf der Hand. "Wenn wir in Trnava, Nitra oder Bratislava spielen, da merkst du, dass die uns nicht mögen", erklärte Hyballa.

Tatsächlich ist die Situation nicht ohne Brisanz. "Zuletzt haben wir verloren, da habe ich gemerkt, dass sich meine Spieler in Gruppen zurückziehen. Die Slowaken an dem Tisch, die Ungarn am anderen. Das versuche ich natürlich zu unterbinden, wir sind eine Einheit."

Auch politisch nicht ohne Brisanz

Viktor Orbán führte 2010 die Doppelstaatsbürgerschaft für ungarische Sprachminderheiten im Ausland ein. Die slowakische Regierung tolerierte dies zunächst, führte später jedoch ein Gesetz ein, dass man dadurch den Reisepass der Slowakei abgeben musste.

"Eine doppelte Staatsbürgerschaft ist nicht erlaubt. Wir sind Teil der EU, es ist daher nicht so wichtig, welchen Pass man hat", erklärte Világi. "Insgesamt ist die Atmosphäre in den letzten Jahren aber positiver geworden." Das hat auch politische Gründe.

"In der Slowakei liegt die Hürde, um ins Parlament zu kommen, bei fünf Prozent. Die SMK-MKP (Partei der ungarischen Koalition) hat die Hürde nicht geschafft, die Most-Híd ist jedoch in der Regierung vertreten. Insgesamt liegen die beiden Parteien bei rund zehn Prozent. Jetzt kommt man dahinter, dass es effizienter ist, wenn man in gewissen Dingen zusammenarbeitet. Das ist besser für die Region", erklärte der ehemalige Politiker.

Kein Athletic Bilbao

Ungefähr 20 Minuten dauert der Fußmarsch vom Bahnhof zum Trainingsgelände. Vorbei an Wahlplakaten in ungarischer Sprache und heruntergekommenen Containersiedlungen biegt man schließlich in die dreisprachig beschilderte "Viedenská cesta - Bécsi Út - Wiener Straße" ein.

Und dann staunt man nicht schlecht. Makelloser Golfplatz-Rasen erstreckt sich auf den zahlreichen Fußballfeldern, topmoderne Trainingsutensilien und eine Hi-Tech-Anlage für komplexe Videoanalysen runden den professionellen Eindruck, den man mittlerweile von DAC neugewonnen hat, ab. Selbst ein Verein wie Rapid Wien würde da neidvoll über die Grenze schielen. Sofern man denn die Nachbarn überhaupt am Radar hat.

Keine zusammengekauften Stars, dafür bessere Infrastruktur. Kann man Dunajská Streda als repräsentativen Klub einer Volksgruppe mit Athletic Bilbao im Baskenland vergleichen?

"Nein, das wollen wir gerade nicht. Athletic will nur mit Basken spielen. Wir wollen hier aber einen Mix. Interessant ist, dass wir in der ersten Elf teilweise fünf Slowaken haben. Slovan Bratislava, das eigentlich schon vom Namen her der 'slowakische Klub' ist, hat oft nur einen. Den Torwart. Wir sind also eigentlich slowakischer als sie", grinste Hyballa.

Mit welchem Klub kann man aber dann DAC vergleichen? "Es ist ein bisschen Red Bull light. Wir haben zwar nicht das Geld von ihnen, aber auch hier wird die Nachwuchsakademie neu aufgebaut. Aber wir sind erst am Anfang." Das merkt man auch, wenn man beim Training zusieht. Pressing und Tempo ohne Ende. Hohe Intensität ist das Stichwort. Und die wird belohnt.

Dunajská Streda liegt auf dem zweiten Platz der Super Liga. Der Einzug ins Meisterplayoff ist gesichert. Der Höhenflug des Teams schlägt sich im Selbstvertrauen der Volksgruppe nieder. "Die Leute mögen uns wirklich. Ich gehe jeden Tag joggen. Jedes Auto hupt dabei und feuert mich an", lachte der Deutsche Trainer. Und so eine Hupe ist weder Ungarisch, noch Slowakisch.

Johannes Sturm, weltfussball.at aus Dunajská Streda

Entstanden im Rahmen von eurotours 2018 – einem Projekt des Bundespressedienst, finanziert aus Bundesmitteln

 

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