11.01.2019 16:07 Uhr

Vier Gründe für den Absturz von Real Madrid

Schwere Zeiten für Real-Kapitän Sergio Ramos und seine Teamkollegen
Schwere Zeiten für Real-Kapitän Sergio Ramos und seine Teamkollegen

Vom Champions-League-Seriensieger zum Gespött der Fans: Der spanische Fußball-Traditionsverein Real Madrid hat in den vergangenen Monaten einen beispiellosen Absturz erlebt. Auch nach dem Trainerwechsel kehrt bei den Königlichen keine Ruhe ein. weltfussball.de analysiert die Gründe für die Krise.

Nach der peinlichen 0:2-Heimpleite gegen Real Sociedad beträgt der Rückstand des Tabellenfünften auf Ligaprimus FC Barcelona bereits zehn Punkte - für viele Real-Fans ein schwer zu ertragender Zustand.

Wie konnte der siebenmalige Königsklassen-Krösus derart aus dem Rhythmus geraten? weltfussball.de hat sich auf die Suche nach möglichen Ursachen gemacht.

  • Interimstrainer Solari scheut das Risiko

Nach nur vier Monaten im Amt musste Trainer Julen Lopetegui bei Real Madrid den Hut nehmen. Eine 1:5-Demütigung im Clásico gegen Barca hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Da kein geeigneter Nachfolger auf dem Markt war, wurde Reserve-Coach Santiago Solari kurzerhand befördert.

Ein überraschender Schachzug, der zunächst einen kleinen Aufschwung brachte: Seine ersten vier Partien als Trainer der Königlichen gewann Solari allesamt bei einem Torverhältnis von 15:2. Doch der Hype war schnell vorbei.

In der Primera División wechselten sich souveräne Siege mit kaum zu rechtfertigenden Minusleistungen ab. Ob gegen Eibar (0:3), Villarreal (2:2) oder jüngst San Sebastián (0:2) - zu oft blieben die einstmals Galaktischen weit hinter den Erwartungen zurück.

Schon jetzt wirkt Interimstrainer Solari angeknockt. Experten werfen dem Argentinier vor, personell wie taktisch zu selten ins Risiko zu gehen. Zumeist setzt der 42-Jährige auf ein 4-3-3 System mit den üblichen Verdächtigen auf den Schlüsselpositionen. Problem: Nur die Wenigsten konnten das Vertrauen des Übungsleiters rechtfertigen.

Dass die Klubführung um den mächtigen Präsidenten Florentino Pérez im Hintergrund weiter nach einem klangvollen Namen für die neue Saison fahndet, macht die Sache für Solari nicht leichter. Seine Chancen auf ein dauerhaftes Engagement bei Real sind überschaubar - daran hat auch der Gewinn des Weltpokals nichts geändert.

  • In der Schaltzentrale hakt es - Weltfußballer Modric außer Form

Über Jahre hinweg galt das Gespann Luka Modric/Toni Kroos als Nonplusultra im zentralen Mittelfeld. Niemand sonst vereinte Ballsicherheit und präzises Passspiel derart elegant. Doch seit dieser Saison ist beim kroatisch-deutschen Duo Sand im Getriebe.

Während Kroos immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen wurde, wirkt Weltfußballer Modric nach einer für ihn persönlich erfolgreichen, aber enorm kräftezehrenden WM überspielt. Vor allem in der Rückwärtsbewegung sah der 33-Jährige oftmals ziemlich alt aus.

Auch Nebenmann Kroos präsentierte sich, sofern fit, ungewohnt fahrig. Bezeichnend seine Scorerwerte: In 23 Einsätzen bereitete der DFB-Star nur drei Tore vor, selbst traf er gar nur ein einziges Mal. Viel zu wenig für den ehemaligen Münchner.

Die Sportpresse geht mit dem 29-Jährigen hart ins Gericht. "Er hält den Spielrhythmus nicht mehr mit. Seine Luft reicht nur für eine Halbzeit", lautete das vernichtende Urteil der "Marca" nach der jüngsten Niederlage.

Fakt ist: Ohne intakte Schaltzentrale war Real Madrid zuletzt nur die Hälfte wert - zum Leidwesen der Angreifer, die allzu oft vergeblich auf brauchbare Zuspiele warteten.

  • Kaum Konkurrenz für die Platzhirsche

Bei aller Kritik soll nicht unerwähnt bleiben, dass es beim spanischen Rekordmeister auch Lichtblicke gibt.

In der Viererkette machen Kapitän Sergio Ramos und Partner Raphaël Varane weiter einen guten Job. Weiter vorne hat der von vielen bereits abgeschriebene Karim Benzema seine Torgefahr wiedergefunden, auf der rechten Außenbahn ist Gareth Bale ohnehin über jeden Zweifel erhaben.

Freilich fehlt der Offensive nach dem Abgang von Cristiano Ronaldo ein zuverlässiger Knipser, das Hauptproblem der Königlichen ist dennoch ein anderes, denn: Zu viele Spieler im Aufgebot sind Mitläufer.

Die Liste ist lang: Weder Nacho Fernández, noch Álvaro Odriozola, Marcos Llorente oder Dani Ceballos konnten den Platzhirschen Druck machen. Gleiches gilt für Marco Asensio, Lucas Vázquez, Mariano Díaz und Isco, dessen gestörtes Verhältnis zu Trainer Solari für Negativ-Schlagzeilen gesorgt hat.

Zur Wahrheit gehört auch, dass einige der genannten Profis mit teils langwierigen Blessuren zu kämpfen hatten. Den Nachweis ihrer Tauglichkeit für höhere Aufgaben sind die Meisten jedoch schuldig geblieben.

Hier müssen die Verantwortlichen im Sommer ansetzen - der Kader schreit nach einer Frischzellenkur.

  • Heimvorteil adé - Totentanz im Santiago Bernabéu

Ohne Publikumsliebling Ronaldo ist der Besucherzuspruch dramatisch zurückgegangen. Bei der Pleite gegen Real Sociedad waren nur 53.412 Fans im 81.044 Besucher fassenden Estadio Santiago Bernabéu.

In der Primera División ist der Zuschauerschnitt um knapp 4000 Besucher pro Spiel zurückgegangen, in der Königsklasse gar um 11.000 pro Partie.

In der laufenden Saison war noch kein einziges Heimspiel ausverkauft. Die Bestmarke sind 78.562 Zuschauer im Stadtderby gegen Atlético.

Der Totentanz im eigenen Wohnzimmer färbt fast schon zwangsläufig auf die Mannschaft ab. So traurig es klingt: Eine Festung ist das altehrwürdige Bernabéu längst nicht mehr.

Ob das madrilenische Starensemble auf fremden Plätzen mehr zu bieten hat, wird sich am Sonntag zeigen. Dann gastieren Modric und Co. bei Real Betis.


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