07.06.2019 09:54 Uhr

Der ÖFB sitzt in der Infrastrukturfalle

Der Wiener Ernst-Happel-Stadion ist in die Jahre gekommen
Der Wiener Ernst-Happel-Stadion ist in die Jahre gekommen

Ein Stadion in der Hauptstadt, dass den Anforderungen an eine moderne Arena längst nicht mehr entspricht, kein Trainingszentrum für das Nationalteam und Zaudern an allen Fronten. Der ÖFB hinkt in der Infrastruktur-Frage international weit hinterher.

Der Austragungsort der EM-Qualifikationspartie gegen Slowenien steht sinnbildlich für die aktuelle Infrastruktur-Problematik des ÖFB. Gespielt wird im Klagenfurter Wörthersee-Stadion, das im Herbst aufgrund eines Kunstprojekts - in den Rasen werden Bäume gepflanzt - weder für das Nationalteam noch für den WAC in der Europa-League-Gruppenphase verfügbar ist.

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Noch größeres Kopfzerbrechen bereitet dem Verband allerdings die Situation in Wien. Rapid lässt keine Länderspiele im Allianz-Stadion zu, das Testmatch im September gegen Schweden in Austrias Generali-Arena verlief in punkto Zuschauerzahlen nicht nach Wunsch. Über alldem schwebt die unklare Zukunft des Happel-Stadions beziehungsweise eines für verschiedene Anlässe verwendbaren neuen Nationalstadions, das sich der ÖFB im Prater so sehr wünscht.

Infrastruktur: "Österreich mittlerweile im letzten Viertel"

Kein Wunder also, dass Verbandschef Leo Windtner gehörigen Aufholbedarf sieht. "Im Vergleich mit den anderen UEFA-Nationen liegt Österreich, was die Infrastruktur betrifft, mittlerweile im letzten Viertel. Länder wie Montenegro, Albanien und Nordmazedonien haben uns in diesem Bereich überholt. Man muss schleunigst gegensteuern, wenn man international konkurrenzfähig bleiben will", meinte der Oberösterreicher gegenüber der APA.

In diesem Zusammenhang bedeutete das Auseinanderbrechen der türkis-blauen Regierung einen schweren Schlag für den Nationalverband - der ehemalige Sportminister Heinz-Christian Strache (FPÖ) galt so wie sein Vorgänger Hans Peter Doskozil (SPÖ) als großer Unterstützer einer neuen Arena. Nun ist wohl bis zur Bildung einer neuen Regierung nach der Wahl im September Stillstand angesagt, wie auch Bernhard Neuhold, Geschäftsführer der ÖFB Wirtschaftsbetriebe GmbH, befürchtet.

"Es wurde in den letzten Tagen mehrfach betont, dass die Übergangsregierung bis zur nächsten Wahl ihren Schwerpunkt auf die Verwaltung und nicht die projektbezogene Gestaltung legen soll. Dies lässt vermuten, dass auf Bundesebene bis zum Jahresende 2019 die Umsetzung von Großprojekten nicht forciert werden wird", sagte Neuhold.

Neues Nationalstadion: Stadt Wien bleibt zurückhaltend

Neben dem Bund gibt es für den ÖFB in dieser Frage noch einen weiteren entscheidenden Ansprechpartner, und zwar die Stadt Wien. Von deren Seite zeigte man sich in punkto Nationalstadion bisher äußerst zurückhaltend. Zuletzt ging im vergangenen Februar eine Unterredung zwischen Bürgermeister Michael Ludwig, Sport-Stadtrat Peter Hacker und ÖFB-Vertretern über die Bühne. "Den Zugang der Stadtregierung zu diesem Thema kann ich schwer interpretieren. Wir haben nach unserem Meeting vereinbarungsgemäß ein Realisierungskonzept mit potentiellen Varianten übermittelt, warten auf ein weiterführendes Gespräch und hoffen, dass unsere Argumente gehört werden", sagte Neuhold.

In dieser Angelegenheit gehe es nicht nur um den Fußball, betonte der Niederösterreicher. "Ein neues Stadion muss früher oder später ohnehin realisiert werden, weil es in der Weltstadt Wien langfristig alternativlos sein wird, wenn man international wettbewerbsfähig bleiben möchte. Da rede ich auch von Konzerten und Events, die eine größere Kapazität benötigen."

Erst kürzlich beschloss die Wiener Stadtpolitik die Errichtung einer Eventhalle für 20.000 Zuschauer um maximal 250 Millionen Euro in St. Marx, was möglicherweise Auswirkungen auf den Bau eines neuen Stadions haben könnte. "Aber das glaube ich nicht und hoffe ich nicht", meinte Neuhold. "Natürlich hätte man möglicherweise ein gemeinsames großes Projekt definieren können, doch so wie es meinem Verständnis entspricht, ist die Halle ein Nachfolgeprojekt der Stadthalle, eine Multifunktionshalle für Events mit begrenztem Volumen. Ich bin überzeugt, dass Wien durchaus ausreichend Events mit mehr Kapazität vertragen würde. Daher könnte ein neues Stadion eine absolut sinnvolle Ergänzung sein."

Trotz Kosten im dreistelligen Millionenbereich wäre ein neues Nationalstadion für Wien laut Neuhold eine Bereicherung. "Die Politik hätte eine wahnsinnig große Chance, vielen Wienern einen Mehrwert zu bieten. Natürlich sind solche Projekte mit großem finanziellen Volumen verbunden, aber ich glaube, dass es für den Fußball und den Eventstandort Wien sehr wichtig wäre. Darum lohnt es sich, weiter zu kämpfen."

Alternative Standorte außerhalb Wiens

Das Happel-Stadion erfüllt in seiner derzeitigen Form nicht die Kriterien für die Austragung eines Europacupfinales, der Zustand der in die Jahre gekommenen Arena hat Auswirkungen auf das Stadionerlebnis und damit wohl auch auf die Zuschauerzahlen bei Länderspielen im Prater. Dazu kommen noch weitere Probleme: Der ÖFB hat seinen Sitz im Happel-Stadion - und dabei viel zu wenig Platz. Außerdem verfügt man im Gegensatz zu vielen Nachbarländern nicht über ein eigenes Trainingszentrum.

Diese Misere wäre mit einem neuen Stadion samt angrenzender Infrastruktur zu beheben. "Es ist für uns alternativlos, an diesem Thema dranzubleiben. Es ist offensichtlich, dass wir im internationalen Vergleich keine moderne Infrastruktur haben", erklärte Neuhold.

Sollte es beim Stadionbau keine Fortschritte geben, könnte das neue Nationalstadion auch außerhalb Wiens entstehen. Eine Errichtung der Arena in Niederösterreich an der Grenze zu Wien steht angeblich ebenso zur Debatte wie ein Bau in der Region Parndorf im Burgenland.

Neuhold wollte sich dazu nicht äußern, verwies allerdings auf das Beispiel Schweden. Die über 50.000 Zuschauer fassende Friends Arena steht in Solna an der Peripherie Stockholms. "Für uns wäre der Standort Prater ideal, aber natürlich kann das Stadion auch außerhalb Wiens entstehen, wenn seitens der Stadt kein Interesse an einer Realisierung vorherrscht. Es sollte nicht so sein, dass es kein Stadion gibt, nur weil es in Wien nicht möglich ist." Offen ist aber auch noch, welche Priorität ein Nationalstadion für den künftigen Sportminister hat.

Entscheidung über Zukunft der Cupfinali steht noch aus

Die unmittelbare Zukunft spielt sich im Happel-Stadion ab, wo die letzten beiden EM-Quali-Heimmatches am 10. Oktober gegen Israel und am 16. November gegen Nordmazedonien über die Bühne gehen dürften. "Abos für diese Spiele im Happel-Stadion sind eine durchaus mögliche Variante, die Standortfrage wird allerdings erst nach den Matches gegen Slowenien und in Nordmazedonien final erledigt", erklärte Neuhold.

Eine endgültige Entscheidung steht auch noch in punkto Austragungsort der künftigen Cupfinali aus. Diesbezüglich könnte die ÖFB-Präsidiumssitzung am 14. Juni weitere Aufschlüsse bringen. Das Endspiel am 1. Mai zwischen Rapid und Red Bull Salzburg musste aufgrund von Sicherheitsbedenken von der Generali-Arena nach Klagenfurt verlegt werden.

apa

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