08.07.2019 10:58 Uhr

Ohne Neymar: Neues Wir-Gefühl beschert Brasilien den Titel

Brasilien gewann die Copa América
Brasilien gewann die Copa América

Die Selecao verkraftet bei der Copa América das Fehlen ihres Superstars und räumt alle Trophäen ab.

Ein Talent fern von Europa, ein Torjäger mit Ladehemmung auf großer Bühne, ein in Rekordzeit genesener Mumps-Kranker: Hinter den Geschichten stehen Namen, die Brasiliens Fußball-Nationalmannschaft befreit von Superstar Neymar - verletzt aus dem Kader gestrichen, wegen einer skandalösen Liebesnacht ohnehin in den Schlagzeilen - zum Triumph bei der Copa América daheim führten.

"Neymar ist Top 3, außergewöhnlich. Aber auch die Teamarbeit ist wichtig", sagte Nationaltrainer Tite nach dem 3:1 (2:1) im Gran Final der Südamerika-Meisterschaft gegen Peru. Und hob beispielhaft einen seiner neuen Helden heraus. "Wer hätte jemals gedacht, dass Everton ins Team rutscht und der Beste auf dem Platz werden könnte?", fragte der 58-Jährige.

Gemeint war Everton Sousa Soares, 23, einziger von nur drei in der Heimat agierenden Profis im Copa-Kader, der in Spiel drei beim 5:0-Vorrundensieg gegen Peru in die Startelf rückte, nach seinem Tor im Finale (15.) zum Spieler der Partie gewählt wurde, und nun mit seinem dritten Treffer gar die Torjägerkrone der Copa gewann.

"Weil ich jetzt im Schlaglicht stehe, ist es normal, dass ich die Aufmerksamkeit europäischer Klubs auf mich ziehe", gestand die Entdeckung des fünfmaligen Weltmeisters. Am Talent von Gremio Porto Alegre, wo er wegen Ähnlichkeit mit einer Comicfigur den Spitznamen Zwiebelchen (Cebolinha) verpasst bekam, soll auch Bayern München Interesse haben. Falls es mit Leroy Sané nicht klappt.

Gabriel Jesus zwischen Himmel und Hölle

Name Nummer zwei: Für Gabriel Jesus von England Meister Manchester City war das Finale ein Ritt zwischen Himmel und Hölle. Der Rekordtorjäger in der Ära Tite (18 Tore), der in seinen ersten neun Turnierspielen bei WM und Copa Ladehemmung hatte, traf wie im Halbfinale gegen Argentinien erneut (45.+3), schwächte dann aber die Selecao mit einer Gelb-Roten Karte (70.).

"Ich bin genug gereift, um meine Emotionen unter Kontrolle zu halten. Aber wenn es um einen Titel geht, die Selecao, im Maracana ...", meinte der 22-Jährige nach seinem Aussetzer, flüchtete sich in Ausreden und saß lange wie ein Häufchen Elend schluchzend in den Katakomben des Maracana.

Dani Alves schnappt sich den 40. (!) Titel

Die kurioseste Finalgeschichte schrieb jedoch Richarlison. Nur zehn Tage nach der Diagnose auf Mumps kam der 22-Jährige von englischen Premierligisten FC Everton in den Schlussminuten zum Einsatz, verwandelte den vom Ex-Frankfurter Carlos Zambrano an Everton verursachten Elfmeter (90.). "Ich habe mir in den Kopf gesetzt, so schnell wie möglich gesund zu werden", betonte Richarlison.

Bei so viel Unbekümmertheit brauchte es für den neunten Copa-Titel der Selecao, den fünften davon zu Hause am Zuckerhut, jedoch auch Erfahrung. Und die kam in Person von Dani Alves, nach seinem Vertragsende bei Paris Saint-Germain noch ohne Klub, mit nun 40 Pokalen größter Titelhamster im Weltfußball. Und zum besten Spieler des Turniers gewählt.

Trotz Spielführerbinde bekräftigte der 36-Jährige: "Der Kapitän auf unserem Boot ist Tite." Und der genannte Coach jubelte: "Ich bin heute zum Selecao-Trainer geworden." Weil er nach knapp drei Jahren im Amt erstmals die Kanarienvögel im Fußballtempel Maracana führen durfte. Zudem gewann Tite als erster Trainer alle Titel auf dem Kontinent: Copa-Sul-Americana (2008), Libertadores (2012), Recopa (2013) und Copa América (2019).

Neymar gratuliert per Instagram

In die Finalstatistik gehören noch der zwischenzeitliche Ausgleich Perus durch den ehemaligen Bundesligaprofi Paolo Guerrero per Handelfmeter (44.) sowie die Wahl von Liverpools Champions-League-Sieger Alisson zum besten Torhüter des Turniers, trotz des ersten Gegentreffers in der regulären Spielzeit nach neun Zu-Null-Spielen.

Beim Siegerfoto schob sich dann aufdringlich Staatspräsident Jair Bolsonaro in die erste Reihe. Neymar, im Stadion, war fehl am Platz und beließ es mit einem simplen Gruß im Instagram: "Ihr habt es verdient!" Ein neues Wir-Gefühl macht sich im Land des Rekord-Weltmeisters breit.

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