27.11.2019 12:11 Uhr

Zeugwarte - die guten Seelen der Fußball-Bundesliga

Fritz Munder war zehn Jahre lang Zeugwart beim SV Werder Bremen
Fritz Munder war zehn Jahre lang Zeugwart beim SV Werder Bremen

Sie tragen Spitznamen wie "Flori", "Bomber" oder "Flavio". Über Jahrzehnte bleiben sie ihren Vereinen treu und Trainer wie Spieler bezeichnen sie liebevoll als "Legenden". Die Zeugwarte der Bundesliga sind zweifelsohne ein besonderer Schlag Mensch und sie bewahren im heute so schnelllebigen Fußball-Geschäft ein Stück heile Welt von gestern.

Die eigentlichen Aufgaben eines Zeugwarts klingen auf den ersten Blick gar nicht so schwierig. Sie müssen die Trikots der Mannschaft waschen, Schuhe aufbereiten, sie kümmern sich um das Trainingsgerät sowie die Reisevorbereitungen und lesen den Spielern alltägliche Wünsche von den Augen ab. Dabei werden ihnen die besten Gerätschaften und das beste Material zur Verfügung gestellt. Eigentlich ganz simpel, oder?

Weit gefehlt, denn in der Fußball-Bundesliga ist der Beruf des Zeugwarts nicht nur ein anstrengender Full-Time-Job, sondern auch eine Betätigung mit einem vielschichtigen Anforderungsprofil. Nicht umsonst genießen sie unter den Spielern und Funktionären im deutschen Oberhaus höchste Anerkennung.

Claudio Pizarro vermisst seinen Zeugwart ganz besonders

Und wenn sie einmal in Ruhestand gehen, dann ist das für die Mannschaft wie das Karriereende eines großen Spielers. "Fritz ist einer von denen, die im Verborgenen arbeiten, die aber für die Jungs brutal wichtig sind, auch für mich", sagte Coach Florian Kohfeldt von Werder Bremen unlängst über seinen Zeugwart Fritz Munder, der im August nach zehn Jahren Werder in den Ruhestand ging. "Ich habe sogar mal mit ihm die Aufstellung besprochen, weil er einen anderen Blick hat."

Ähnlich wie ihr Coach dachten die Werder-Spieler über den Mann, dessen lange weiße Haare ihm Spitznamen wie "Nino de Angelo" oder "Flavio" einbrachten – letzteren in Anlehnung an Ex-Formel-1-Teamchef Flavio Briatore. Claudio Pizarro sagt über Munder: "Ich hoffe, dass er in Zukunft glücklich wird. Wir haben lange zusammengearbeitet und wann immer er mir vor dem Spiel einen Espresso gemacht hat, habe ich getroffen."

Vollwertiges Teammitglied statt Dienstmädchen

Ganz entscheidend an dieser Aussage ist vor allem, dass Pizarro die vergangenen Jahre als "Zusammenarbeit" bezeichnet. Es zeigt, wie viel Respekt die meisten Spieler ihren Betreuern entgegen bringen und wie eng das Verhältnis zwischen Profis und Zeugwart sein kann. So war es auch bei Borussia Dortmunds ehemaligem Kult-Zeugwart.

"Mein Büro war wie ein Beichtstuhl für die Spieler", sagt Hartmut "Bomber" Wiegandt, der von 1982 bis 2002 für den BVB in Doppelfunktion als Zeugwart und Busfahrer agierte und Deutschlands erster Betreuer mit seiner eigenen Autogrammkarte war. "Da ging es um verschiedene Dinge, auch private Angelegenheiten. Manche Spieler waren wie meine Söhne."

Zu der Seelsorge gab es nicht selten selbstgemachten Kuchen von Wiegandts Frau, sogar für den Gegner. Eine Cola stand in seinem Büro immer kalt und Mario Basler rauchte oft beim Dortmunder Zeugwart seine letzte Zigarette vor der Partie. Es waren andere Zeiten damals, hält Wiegandt fest, und deutet damit an, dass sich auch die Position des Zeugwarts in den letzten Jahrzehnten durchaus gewandelt hat.

FC Bayern München beschäftigt gleich vier Zeugwarte

Während in der Vergangenheit viele Teams mit einem Zeugwart auskamen, hat heute jedes Spitzenteam mindestens zwei Angestellte, die sich um die Belange der Mannschaft kümmern. Der FC Bayern beschäftigt mit Thomas Reschke, Frank Jeremies, Sebastian Pflügler und Lawrence Aimable sogar direkt vier Betreuer. Und sie alle haben die Hände voll zu tun. "In der Vorbereitung oder im Trainingslager, da kommen wir locker auf 40 Kisten Material", sagt Aimable. "Mein Arbeitstag startet gegen acht Uhr und endet etwa um halb neun."

Manche Kollegen sind sogar noch länger auf den Beinen. Enrico Heil von Schalke 04 weiß warum. "Das Waschen ist die eine Sache", sagt der langjährige Schalker Zeugwart. "Aber wir packen quasi die gesamte Ausrüstung für 50 Leute. Dann kommen die verschiedenen Wettbewerbe hinzu mit verschiedenen Trikots und so weiter. Früher gab es mal einen Trikotsatz für alle Spiele, doch das ist schon längst nicht mehr so."

Mit der zunehmenden Professionalisierung von Vereinsstrukturen mussten auch die Zeugwarte mithalten. Sie sind bei allen Übersee-Touren dabei, müssen für jegliche Eventualitäten gewappnet sein und haben stets ein offenes Ohr für jeden. Sie sind meist die Ersten im Stadion, legen Ausrüstung bereit, kochen Kaffee und bereiten die Kabine vor. Abends sind sie die letzten auf der Anlage und richten bereits alles für den nächsten Tag, das nächste Training oder die nächste Reise her.

Für den Beruf Zeugwart gibt es keine Ausbildung

Die Fähigkeiten für diesen Knochenjob hat keiner von ihnen auf einer Schule gelernt, für die meisten galt das Motto "learning by doing". Alle sind eigentlich Quereinsteiger, so wie Enrico Heils S04-Kollege Holger Blumenstein oder der heutige BVB-Betreuer Frank Gräfen, die beide aus dem Bergbau kommen. Sie alle verbindet jedoch ein ganz besonderes Verhältnis zum Verein und zu den Menschen mit denen sie arbeiten.

"So ein Beruf ist nur mit einer ganzen Menge Herzblut zu bewerkstelligen", sagt Walter Notter von Mainz 05, mit 30 Berufsjahren der dienstälteste Zeugwart der gesamten Bundesliga. Dank dieses Herzbluts bleiben er und viele seiner Kollegen über Jahrzehnte ihren Vereinen treu und sind lebende Erinnerungen an "die gute alte Zeit". Eine Zeit, die sie mit geprägt haben.

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