06.07.2020 11:05 Uhr

Der Tag, an dem Deutschland die WM bekam

2006 feierte Deutschland eine rauschende WM-Party
2006 feierte Deutschland eine rauschende WM-Party

Joseph S. Blatter öffnete den weißen Umschlag mit konzentriertem Gesichtsausdruck, dann verkündete er die erlösende Entscheidung mit einem zufriedenen Lächeln. "And the Winner is", sagte der damalige FIFA-Präsident am 6. Juli 2000, "Deutschland!" Die Fußball-WM sechs Jahre später würde also tatsächlich in Deutschland stattfinden, OK-Boss Franz Beckenbauer und seine Mitstreiter lagen sich freudig in den Armen.

Und obwohl die zweite Endrunde in Deutschland ein echter Erfolg wurde und das Ansehen der Bundesrepublik mächtig aufpolierte, liegt längst ein Schatten auf dem "Sommermärchen". Beckenbauer, der für einen Erfolg der deutschen Bewerbung um die Welt gereist war, bestreitet zwar entschieden den Vorwurf des Stimmenkaufs. Warum im Zuge der Vergabe umgerechnet 6,7 Millionen Euro zum katarischen Skandalfunktionär Mohamed bin Hammam flossen, ist aber bis heute ungeklärt.

"Es ist höchst unbefriedigend, ja frustrierend, dass wir noch immer kein abschließendes Bild rund um die infrage stehenden Abläufe der WM 2006 haben", sagte zuletzt DFB-Präsident Fritz Keller, der genau das zur Aufgabe des Deutschen Fußball-Bundes machte: "Wir als Verband können niemanden zwingen, sein Wissen mit uns zu teilen. Aber wir haben die Pflicht, und es ist mir ein persönliches Anliegen, innerhalb unserer Möglichkeiten alles für eine Aufklärung zu unternehmen."

Rätsel um 6,7 Millionen Euro

Das Geld, so viel steht nach Aufarbeitungen unter anderem durch die Justiz und die Kanzlei Freshfields nun fest, floss vom Konto Beckenbauers und dessen Ex-Manager Robert Schwan über die Schweiz nach Katar auf ein Firmenkonto von Bin Hammam. Beckenbauer erhielt diese Summe als Darlehen vom früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus zurück, der wiederum sein Geld drei Jahre später vom DFB zurückforderte. 2005 überwies der Verband die 6,7 Millionen Euro über ein Konto des Weltverbandes FIFA an Louis-Dreyfus.

"Unsere Hoffnung war, dass die Vorgänge um die Zahlung der 6,7 Millionen Euro und ihre Hintergründe weiter aufgeklärt werden", sagte DFB-Schatzmeister Stephan Osnabrügge, nachdem Ende April das Verfahren der Schweizer Justiz gegen die damaligen WM-Macher wegen Verjährung eingestellt worden war: "Die vollständige Aufklärung der Hintergründe des Zahlungsflusses bleibt unverändert Ziel des DFB."

"Wir haben niemanden bestochen"

Der ehemalige DFB-Boss Reinhard Grindel hatte sogar persönlich versucht, den mittlerweile lebenslang von allen Fußballaktivitäten ausgeschlossenen bin Hammam zur Rede zu stellen - vergeblich. Dabei kennt der Ex-Funktionär den Grund für die Zahlung "natürlich", wie er in einem spöttischen "ZDF"-Interview Anfang 2018 verriet: "Aber entschuldigen Sie: Das interessiert doch nur Sie und keinen anderen", witzelte bin Hammam.

Der mittlerweile 71-Jährige hatte jedenfalls "bei Gott" geschworen, "dass es nicht für die WM war". Viele Gerüchte um Sinn und Zweck der Millionenzahlung kamen in den vergangenen Jahren auf, keines wurde final bestätigt. Auch nicht der Grund für einen auf den 2. Juli 2000, also nur vier Tage vor der Vergabe datierten Vertrag zwischen Beckenbauer und dem zwielichtigen Funktionär Jack Warner.

"Ich sage immer noch ganz klar: Wir haben niemanden bestochen", behauptete der Vizepräsident des OK, Fedor Radmann: "Wir haben schlichtweg die beste Bewerbung eingereicht. Alles andere ist dummes Zeug."

Das sah übrigens auch Blatter so - zumindest offiziell - als er die Entscheidung verkündete. Seiner Auffassung entschloss sich das Exekutivkomitee der FIFA dafür, "auf die etablierte Macht im Fußball zu vertrauen". Aber für welchen Preis?

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