Eskinja trotzt in der Ukraine dem Kriegsalltag
Die Sirenen ist Gabriel Eskinja mittlerweile gewöhnt. Seit Juli steht der beim GAK und Sturm ausgebildete Profi bei Sorja Luhansk in der ukrainischen Liga unter Vertrag. Der ursprünglich in der Ostukraine beheimatete Club ist schon länger entwurzelt und hat sein Zuhause nun in Kiew gefunden. Russlands Angriffskrieg ist auch in der Hauptstadt jeden Tag präsent. Vor Weihnachten ging es für Eskinja zurück in die Steiermark ins "Hotel Mama".
"Die Sirenen sind ein tagtäglicher Begleiter", sagte der 21-Jährige kurz vor der Heimreise im Telefonat mit der APA. Gemeinsam mit den anderen Legionären des Clubs wohnt Eskinja in einem Sportlerstützpunkt direkt über einem Luftschutzbunker. Aus einer Schule in der unmittelbaren Nähe suchen die unter 18-Jährigen bei jedem Alarm darin Schutz. Die Sorja-Profis trainieren weiter. Trainingseinheiten abzubrechen sei keine Option, meint Eskinja über die angespannte Lage. "Auch wenn es komisch klingt: Ich habe mich daran gewöhnt."
"Spinnst du komplett?"
Sorgen plagen die Freunde und die Familie daheim, Videos werden dann zur Beruhigung geschickt. Besonders die Eltern hätten an seiner Entscheidung, in die Ukraine zu gehen, geknabbert, berichtet Eskinja. In Gratkorn aufgewachsen und in Graz bei Sturm und dem GAK ausgebildet, war der Verteidiger schon als Teenager vom SC Kalsdorf aus nach Kroatien gegangen. Von Slaven Belupo aus Koprivnica ging es im vergangenen Sommer in die Ukraine. "Jeder war schockiert und hat gesagt: Spinnst du komplett? Für mich war von Anfang an klar, dass ich das Risiko eingehen will", sagt Eskinja über seine Entscheidung. "Ein Problem waren aber die Eltern."
Der beim DSV Leoben spielende Bruder Josip musste Überzeugungsarbeit leisten. Vater Zoran - selbst als Spieler und später Trainer in der Steiermark tätig - konnte die Entscheidung des Juniors bald akzeptieren. "Bei der Mama hat es ein bisschen länger gedauert." Mit seiner Familie ist Eskinja nun täglich in Kontakt.
Bei Luhansk hat er bis 2027 unterschrieben. Mit Mladen Bartulovic arbeitet ein Kroate als Chefcoach, durch seine kroatischen Wurzeln hat Eskinja auch mit der ukrainischen Sprache weniger Probleme. Der Club spielte in den vergangenen Jahren regelmäßig in der Europa League und Conference League, ist aber heimatlos. Das Awanhard Stadion in Luhansk wurde im Zuge des Kriegs im Donbass schon 2014 durch Artilleriebeschuss schwer beschädigt. Sorja zog ins Exil nach Saporischschja, 2022 ging es nach Kiew weiter.
"Die Liga war früher extrem gut und ist es noch immer", meint Eskinja. Schachtar Donezk spielt in der Champions League, Dynamo Kiew in der Europa League. Zu Heimspielen kommen jedoch nur einige hundert Fans. Ukrainische Profis sind vom Wehrdienst freigestellt, anders verhält es sich bei den Anhängern. Von Dynamo hieß es, dass mehr als 80 Prozent der Fanbasis nun an der Front dient oder anderweitig im Militärdienst steht.
Spielabbrüche und Duschen im Dunklen
Wie schwierig die Lage ist, verdeutlichte eine Partie bei Inhulez Petrowe im Dezember. Kurz vor Anpfiff wurden die Sirenen und Handyalarme aktiviert, die Spieler gingen in die Kabinen. Erst nach zwei Stunden konnte wieder gespielt werden. Nach der Pause musste erneut Schutz gesucht werden, wieder wurde zwei Stunden zugewartet. "Dann hieß es, das macht keinen Sinn mehr." Das Spiel wurde abgebrochen.
Feiern nach Siegen sind schwierig zu gestalten. In der Ukraine gilt ab 23.00 Uhr eine Ausgangssperre, die restriktiv eingehalten wird. "So kann ich mich nur auf Fußball konzentrieren", nimmt es Eskinja mit Humor. "Mit 17, 18 habe ich wegen Corona nirgendwo hingehen können, jetzt mit 21 auch nicht." Gewöhnt hat er sich auch an regelmäßigen Stromausfälle. "Dann musst du eben im Dunklen duschen."
2:1 siegte Sorja im letzten Spiel vor der Winterpause gegen Tschornomorez Odessa, Eskinja spielte durch. Er hat sich seinen Stammplatz erkämpft. Für den 1,91-m-Mann ging es danach per Zug viele Stunden lang retour nach Österreich. "Ich freue mich schon richtig auf das Hotel Mama", sagte er. Ab 17. Jänner ist Sorja in der Wintervorbereitung in der Türkei einquartiert, Ende Februar startet die Meisterschaft ins Frühjahr. In der Ukraine will man sich den Fußball nicht nehmen lassen.
(Das Gespräch führte Thomas Schrenk/APA)