28.01.2014 09:00 Uhr

Roberto Carlos ist Chef der Hirtenhunde

Roberto Carlos
Roberto Carlos

Er galt lange Zeit als bester linker Verteidiger der Welt und war damit quasi der Vorgänger von David Alaba. Mittlerweile hat Roberto Carlos den Sprung zum Erfolgstrainer geschafft und greift in der Türkei mit den "Hirtenhunden" nach einem Europacup-Platz. Sivasspor liegt in der SüperLig momentan auf Platz drei und dabei nur zwei Zähler hinter Galatasaray.

Sivas in Zentralanatolien. Weit weg von Istanbul, wo Roberto Carlos zu seiner aktiven Zeit bei Fenerbahçe zum Publikumsliebling wurde. Doch der 40-Jährige ist gerade dabei sich in der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz auch als Trainer einen Namen zu machen.

Bei Anzhi Makhachkala hatte der ehemals gefürchtete Freistoßspezialist seine Spielerlaufbahn ausklingen lassen. Schon damals war er als Interimscoach eingesprungen und hatte erste Erfahrungen als Betreuer gesammelt. Nun aber ist seine Zeit auf dem Rasen vorbei und er gibt von der Bank aus den Takt vor.

"Fußball ist eine einfache Sache"

"Fußball ist eine einfache Sache", lautet der Standpunkt von Robert Carlos und trifft dabei ebenso ins Schwarze wie einst mit seinen gewaltigen Freistößen.

Mit Real Madrid wurde er vier Mal spanischer Meister und gewann dreimal die Champions League. Für Brasilien nahm er an drei Weltmeisterschaften (1998, 2002, 2006) teil und durfte sich 2002 über den WM-Titel freuen. Dem Spieler Roberto Carlos kann keiner etwas vormachen, aber als Trainer? Bei seiner Bestellung als Sivasspor-Coach wurde der Neo-Betreuer äußerst kritisch empfangen.

Als er im Sommer 2013 präsentiert wurde, zeigte sich der Trainer-Lehrling dennoch euphorisch: "Ich freue mich sehr, hier sein zu dürfen und bin überaus dankbar", sagte Roberto Carlos. "Das ist einer der wichtigsten Tage in meinem Leben."

In Sivas darf wieder geträumt werden

Ein Vertrag für zwei Jahre wurde unterzeichnet, doch der offensivstärkste Verteidiger seiner Zeit ist wieder einmal dem Plan voraus. Schon in der ersten Saison mischt Sivasspor in der Spitzengruppe mit und liegt aktuell als Dritter nur knapp hinter einem Startplatz in der Champions League.

Die Erfahrung aus 125 Länderspielen kann ihm keiner nehmen und kommt ihm natürlich zu Gute. "Du gehst einfach raus auf den Platz und hast den Wunsch zu siegen. Natürlich braucht der Trainer auch eine Philosophie und die Spieler eine gewisse Qualität. Aber gewinnen, gewinnen und noch einmal gewinnen - das ist das Wichtigste. Diese Mentalität hatte ich während meiner ganzen Karriere und wollte sie auch zu Sivasspor bringen."

Der größte Erfolg der Vereinsgeschichte war für den Außenseiter aus Sivas die Vize-Meisterschaft in der Saison 2008/09, als nur Beşiktaş den sensationellen Titelgewinn der "Yiğidolar" verhinderte.

Ex-Roma-Verteidiger und Torjäger als Stars

Der Spitzname "Yiğidolar" steht für den Kangal. Eine in der Provinz Sivas beheimatete Rasse des anatolischen Hirtenhunds. Doch momentan machen die Fußballer mit ihren Siegen den prominenten Vierbeinern Konkurrenz im Rennen um die Rolle als regionales Aushängeschild.

Mit Neuerwerbungen wie Ex-Roma-Verteidiger Cicinho, Abwehrchef Manuel Da Costa oder Goalgetter Aatif Chahechouhe (auf Platz eins der Torschützenliste in der türkischen SüperLig) mischt man die Liga auf, nur Fenerbahçe und Galatasaray stehen noch vor dem Sensationsteam.
>> Ergebnisse und Tabelle türkische SüperLiga

Eine Stadt, die nichts mehr erschüttern kann

In einer Stadt, die gewohnt ist zu leiden, lernt man plötzlich wieder die Freude über Siege kennen. Der Verein Sivasspor wird nach wie vor mit der größten Stadionkatastrophe im türkischen Fußball verbunden, als 1967 beim Anatolien-Derby gegen Kayserispor eine Massenpanik ausbrach. 40 Menschen kamen dabei ums Leben.

Jahrzehnte zuvor hatte Sivas fernab des Fußballs dadurch traurige Bekanntschaft erlangt, als am 5. Juli 1915 die Deportation der armenischen Bevölkerung begonnen hatte. Bei diesem Völkermord hatte Sivas und dessen Umgebung die größte Zahl an getöteten Nichtmuslimen.

Am 2. Juli 1993 rückte Sivas dann erneut traurig in die Schlagzeilen, als islamische Fundamentalisten das Madımak-Hotel in Brand setzten. Dort hielten sich im Rahmen eines alevitischen Kultur-Festivals Musiker, Schriftsteller, Dichter sowie Kinder und Jugendliche auf. 35 Menschen verbrannten dabei.

Die Aleviten gedenken jährlich dem Sivas-Massaker. Vielleicht wird dann auch Roberto Carlos beim Trauermarsch dabei sein.

>> Aus dem Rampenlicht: Zaubern für Roberto Carlos

Christian Tragschitz

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