21.05.2014 17:35 Uhr

Heart of Midlothian: Herzensangelegenheit

Der letzte große Erfolg der Hearts: Schottischer Pokalsieger 2012
Der letzte große Erfolg der Hearts: Schottischer Pokalsieger 2012

Um ihren Klub vor dem finanziellen Kollaps zu bewahren, hat eine Gruppe engagierter Fans aus Edinburgh mithilfe einer Stiftung das Kommando beim schottischen Traditionsverein Heart of Midlothian übernommen. Die Geschichte einer Rückeroberung.

Kaum ein Fußballwochenende vergeht ohne die gebetsmühlenartig wiederholte Huldigung der Fans durch Spieler und Funktionäre. In erster Linie unterstützt der viel zitierte "12. Mann" sein geliebtes Team dabei mit bedingungsloser Leidenschaft von der Tribüne aus.

Im schottischen Edinburgh geht die Liebe noch etwas weiter: Nach einem knappen Jahrzehnt des Niedergangs haben treue Anhänger des viermaligen Meisters Heart of Midlothian die Initiative ergriffen und ihren schwer angeschlagenen Herzensverein kurzerhand aufgekauft. Dass es soweit kommen musste, ist den Schreckensjahren unter dem ehemaligen Klubbesitzer Wladimir Romanow geschuldet.

Der Traum vom Chelsea-Modell

Ihren Anfang nahm die abstruse Story um den litauisch-russischen Investor im Jahr 2004, als Romanow nach gescheiterten Einstiegsversuchen bei drei anderen schottischen Erstligisten schließlich Besitzanteile der Hearts erwarb. Innerhalb weniger Jahre stieg der Multimillionär im Verein zum Alleinherrscher auf, alles wurde dem schnellen sportlichen Erfolg untergeordnet. Angetrieben wurde Romanow dabei von dem Ehrgeiz, das Erfolgsmodell des FC Chelsea zu kopieren, der sich dank des Investors Roman Abramovich in kürzester Zeit zu einem europäischen Topverein gemausert hatte.

Gleich zu Beginn seines Engagements wurden mittelfristige Ziele formuliert, die von Größenwahn zeugten: Nach drei Jahren des sportlichen Aufstiegs sollte der Traditionsklub aus Edinburgh idealerweise die Champions League (!) gewinnen.

Konstante Inkonstanz

Was daraus wurde, dürfte den meisten Hearts-Fans heute noch die Zornesröte ins Gesicht treiben: In den ersten sieben Jahren wurden elf Cheftrainer verschlissen, zahllose Spieler aus dem Ausland kamen und gingen, doch die Vorherrschaft der ewigen Glasgower Erzrivalen Celtic und Rangers konnte trotzdem nie gebrochen werden.

Allein die auffallende Anhäufung litauischer Spieler im Kader der Hearts, die regelmäßig vom ebenfalls von Romanow geführten Verein FK Kaunas transferiert wurden, sorgte bei den Anhängern im heimischen Tynecastle Stadium für Verwunderung. Da auch das Personal vom Baltikum selten länger in Edinburgh blieb, war die einzige Konstante über Jahre nur die Inkonstanz.

Die finanzielle Lage spitzt sich zu

Anders als Abramovich hatte Romanow in all den Jahren bei den Hearts nie Unsummen in den Spielerkader investiert. Die Fluktuation war enorm, Quantität ging vor Qualität. Wer dieser Maxime nicht folgte, wurde abgesägt. Unter fadenscheinigen Vorwänden wurde Romanows Sohn Roman so auch in die Führungsebene des Vereins gehievt.

Was in all den Jahren jedoch nie endgültig aus der Welt geschafft wurde, waren die erheblichen Schulden der Hearts aus früheren Jahren. Diese Altlasten in Höhe von 15 Millionen Pfund holten den Klub wieder ein, nachdem Romanow infolge der Pleite seiner eigenen Bank Ūkio Bankas in arge finanzielle Nöte geraten war. Am Ende blieb nur ein riesengroßer Scherbenhaufen.

Mit Herzblut gegen die Insolvenz

Was folgte, war der Niedergang eines weiteren schottischen Traditionsvereins nach den Rangers, die 2012 ebenfalls nicht mehr zahlungsfähig waren und den Zwangsabstieg in die vierte Liga hinnehmen mussten. Bei den Hearts deutete sich ein ähnliches Prozedere an: Zunächst blieben Gehaltszahlungen aus, daraufhin schalteten sich nacheinander der Verband und der Staat ein.

Schnell drohte die Insolvenz. An diesem Scheidepunkt befand sich der Klub vor genau einem Jahr. Zwölf Monate später steht der Verein als sicherer Absteiger fest – und doch haben sich die Vorzeichen dank des Herzbluts einiger engagierter Anhänger zum Positiven verändert.

Die Unterstützer machen mobil für den Neuaufbau

Die vergangene Spielzeit hatte für die Hearts mit einer brutalen Hypothek begonnen: Ein Punktabzug von 15 Zählern musste aufgeholt werden, zusätzlich durften keine neuen Spieler eingekauft werden. 
>> 15 Punkte Abzug für Hearts

Erwartungsgemäß wog diese Last zu schwer, das arg gebeutelte Team stieg im April 2014 endgültig aus der Premiership ab. Viel bedeutsamer für die Existenz der Rostbraunen war jedoch, was sich schon im Vorsommer abgespielt hatte: Im Zuge der drohenden Insolvenz waren Faninitiativen entstanden, um mehrheitlich Anteile am Verein aufkaufen zu können und somit selbst Einfluss auf den Neuaufbau des Vereins zu nehmen. Der "Heart of Midlothian Supporters Trust" entstand ebenso wie die "Foundation of Hearts".

Herzensangelegenheit für einen Edelfan

Den Zuschlag bekam schließlich die "Foundation of Hearts", eine Stiftung, die sich dank eines treuen Edelfans durchsetzte: Die Geschäftsfrau Ann Hudge kaufte die Hearts-Aktien auf - ohne wirtschaftlichen Hintergedanken, sondern mit dem idealistischen Ziel, ihre favorisierte Faninitiative an die Macht zu bringen.

Das Prinzip dieser Stiftung ist so einfach wie vorbildlich: Die Mitglieder zahlen Beiträge, mit deren Hilfe die Stiftung nach und nach alle Anteile am Klub erwirbt. Das Geld, das die als "Queen of Hearts" gefeierte Hudge investiert hat – schätzungsweise knapp 2,5 Millionen Pfund – muss frühestens in zwei Jahren zurückgezahlt werden. Für die langjährige Dauerkartenbesitzerin ist dieses Projekt eine echte Herzensangelegenheit.

Auf diese Weise wurden Grundlagen geschaffen, um dem Verein in der zweiten Liga wieder auf die Beine zu helfen – durch den Einfluss der Basis, der eigenen treuen Unterstützer, nicht mehr durch Investoren, die vordringlich an Gewinnmaximierung denken. Nach Jahren der Fremdbestimmung und des Leidens haben die Fans ihren Klub zurückerobert. Beim Gedanken daran wird es manch einem Anhänger der Heart of Midlothian nun endlich wieder warm ums Herz.

>> Termine, Kader, Transfers: Alles zu Heart of Midlothian
>> Alles zur "Foundation of Hearts"

Heiko Lütkehus

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