12.07.2014 14:40 Uhr

Vor 40 Jahren: Schalke-Fans finanzieren Rekordtransfer

Hannes Bongartz (r.) lässt im Sommer 1975 den Essener Werner Lorant stehen
Hannes Bongartz (r.) lässt im Sommer 1975 den Essener Werner Lorant stehen

"Wenn ich heute durch Gelsenkirchen laufe", so erzählte Hannes Bongartz einst in einem Interview, "dann sprechen mich vor allem Ältere an und sagen mir, dass sie von mir noch zwei Mark bekommen". weltfussball klärt auf, warum.

Am 12. Juli 1974 – die deutsche Nationalmannschaft hatte wenige Tage zuvor die Weltmeisterschaft im eigenen Land gewonnen gewonnen – setzte der FC Schalke 04 einen Paukenschlag: Der notorisch klamme Revierklub verpflichtete einen der begehrtesten Nachwuchsspieler des Landes, und zwar für eine rekordverdächtige Ablösesumme von 770.000 Mark.

Hannes Bongartz hatte in der Saison 1973/1974 in der zweitklassigen Regionalliga West für Furore gesorgt und seinen Verein Wattenscheid 09 als Mittelfeldregisseur bis in die Aufstiegsrunde zur Bundesliga geführt.

Frühform des Crowdfunding

Dieser aufgrund seiner schlaksigen Figur als "Spargeltarzan" titulierte Dribbler hatte es nicht nur Schalkes Präsident Oskar Siebert angetan, auch wenn sich die Knappen aufgrund ihrer prekären Finanzsituation die vom Ruhrgebietsnachbarn aufgerufene Ablösesumme eigentlich gar nicht leisten konnten. Damit der von den Schalker Fans vehement geforderte Transfer dennoch gelingen konnte, rief Siebert eine frühe Form des Crowdfunding ins Leben: die "Bongartz-Mark".

Die Anhänger der Schalker sollten sich über eine temporäre Erhöhung der Eintrittspreise an der Finanzierung ihres neues Stars beteiligen: In der Hinrunde der Saison 1974/75 mussten die Fans im Gelsenkirchener Parkstadion für ein Stehplatzticket sechs statt fünf Mark zahlen, Sitzplätze wurden mit einem Aufschlag von zwei Mark belegt. Als Bongartz dann zum ersten Training nicht im Porsche sondern in einem alten Käfer vorfuhr, hatte der damals 22-Jährige bei den Fans gewonnen: "Der weiß unser Geld noch zu schätzen".

Keine Neuauflage als "Marinho-Mark"

Bongartz wurde gleich in seiner ersten Saison Stammspieler bei Schalke und führte die nach dem Bundesligaskandal Anfang der 70er Jahre gebeutelten Knappen in den folgenden Jahren wieder in die Spitzengruppe der Bundesliga. 1978 wechselte der gebürtige Bonner dann in die Pfalz zum 1. FC Kaiserslautern, wo er 1984 seine aktive Karriere beendete. Nur ein Jahr später wurde Bongartz Cheftrainer beim FCK und begann damit seine zweite Karriere, die ihn unter anderem auf die Bundesligabank von Wattenscheid 09, dem MSV Duisburg und Borussia Mönchengladbach führte.

Die Idee mit der "Bongartz-Mark" gefiel Schalke-Präsident Oskar Siebert übrigens so gut, dass er sie nur wenige Monate später ein zweites Mal einsetzen wollte. Marinho, ein brasilianischer Außenverteidiger, der für Brasilien bei der Weltmeisterschaft in Deutschland geglänzt hatte, sollte im März 1975 für damals astronomische 1,4 Millionen Mark vom FC Botafogo verpflichtet werden.

Vor dem Bundesligaspiel gegen Bayern München erhielten die 70.000 Besucher des Spiels Stimmkarten, auf denen sie über die Marinho-Verpflichtung und über einen damit verbundenen Eintrittspreiszuschlag abstimmen sollten. Doch als am Tag darauf die Auszählung stattfinden sollte, waren die Stimmzettel bis auf einen mickrigen Rest von 450 Karten verschwunden. Darin votierten 75 Prozent der Fans für die Verpflichtung, aber 60 Prozent gegen den Zuschlag. Damit war der Transfer vom Tisch.

Ralf Amshove

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