11.02.2015 08:30 Uhr

15 Jahre kein Disneyland in St. Pölten

FCN-Sportdirektor Kurt Garger war nicht der einzige, der an die Champions League in St. Pölten glaubte
FCN-Sportdirektor Kurt Garger war nicht der einzige, der an die Champions League in St. Pölten glaubte

Im Februar 2000 brachten die Kicker des Erstligisten FCN St. Pölten einen Konkurs-Antrag beim Landesgericht St. Pölten ein und besiegelten damit den Untergang des Vereins. Zuvor war ihnen versichert worden, dass ein milliardenschwerer amerikanischer Investor vor der Tür stehe und sie die Chance erhalten werden an der Seite von Thorsten Fink mit Flash St. Pölten in die Champions League einzuziehen.

"Gibt's noch Fragen, mein Parkschein läuft nämlich ab", fragte Jurist Dr. Albin Walchshofer, Geschäftsführer von "inFavorit", die Medien-Schar an der Bar im Wiener Hilton Hotel abschließend. Das Milliardenprojekt Flash St. Pölten in der Champions League - in einem Stadion, das laut Walchshofer "ein Vorzeigemodell für ganz Europa" sein werde - war geplatzt, der Spatenstich für das Grab des FC Niederösterreich St. Pölten war zugleich gesetzt und selbiges wurde schnell ausgehoben.

"Die drittgrößte Firma der Welt wird als Sponsor St. Pölten berühmt machen", posaunte der Marketingleiter von "inFavorit", Benjamin Englisch. Beim SC Untersiebenbrunn (wie St. Pölten damals in der zweithöchsten Liga) hatten sie ihn zuvor rasch als Sprücheklopfer enttarnt und verjagt. In der niederösterreichischen Landeshauptstadt klammerten sie sich alle ihn. Insbesondere nachdem er den rund 80.000 Schilling teuren Schaden eines ramponierten Spielerautos bar bezahlt hatte und erst recht als der ehemalige DFB-Internationale Rolf Rüssmann aufkreuzte und als Manager auf diversen Äckern neben der Autobahnabfahrt St. Pölten Süd potenzielle Gründe für das Stadion begutachtete.

Fink, Tarnat, Linke und schlechte Hitler-Parodien

Als nächstes sollten Thorsten Fink (damals 32 Jahre), Michael Tarnat (30) und Thomas Linke (30) vom FC Bayern München folgen und Flash St. Pölten in die Bundesliga und in die Champions League befördern. Die drei haben es sich schließlich anders überlegt und Englisch fuhr auch nicht wie prophezeit im Dezember 1999 höchstpersönlich mit einem Geldtransporter auf der St. Pöltner Stadtsportanlage vor. Er telefonierte an jenem Tag zu später Stunde FCN-Sportdirektor Kurt Garger ab - angeblich von einem Wiener Heurigenlokal aus, was ebensowenig bestätigt wurde, wie dass Englisch sich während der Pressekonferenz in einer Suite im Hilton vergnügte.

Garger, zahlreiche Print- und TV-Journalisten mit Kameraleuten, ein paar Spieler (die schon monatelang keinen Lohn gesehen hatten) und FCN-Trainer Bohdan Masztaler warteten auf der Stadtsportanlage stundenlang auf den Hochstapler. Masztaler kündigte schon beim ersten Bier an, bis zum Schluss bleiben zu wollen, weil "das heute sicher lustig wird."

Nicht wirklich lustig empfanden damals schon viele Masztalers Hitler-Parodien zum Zeitvertreib. Im März 2013 - also mehr als 13 Jahre später - erwirkte die Direktorin des St. Pöltner BORGs für Leistungssportler, Gabriele Schletz, die Absetzung Masztalers als sportlicher Leiter der St. Pöltner Akademie durch einen Artikel in der NÖN. "Die Hitler-Sager von Herrn Masztaler sind legendär, das reicht fast an Wiederbetätigung heran. Masztaler trauert offenbar starken Führerfiguren nach", so Schletz. Der Pole bedauerte ebendort: "Ich liebe Charlie Chaplins Hitler-Persiflage, meine war nicht gut." Zuvor war er auch schon jahrelang U18-Trainer der Akademie.

Nun schreibt Schinkels die Geschichten

Die NÖN war es auch, die vor 15 Jahren voller Vorfreude ein mehrseitiges "Special" zu Flash St. Pölten herausbrachte. Der nunmehrige SKN-Sportdirektor Frenkie Schinkels schreibt dort gleich selbst eine Kolumne und darf Anregungen für Geschichten wie der vermeintlichen Vertragskündigung von Kapitän Tomasz Wisio geben. Zuletzt lobte Schinkels die Zugänge von Admira Wacker und Wiener Neustadt, wohin er ja selbst das Herz des St. Pöltner Mittelfelds Konstantin Kerschbaumer und Dominik Hofbauer transferiert hatte. In der gleichen Ausgabe erschien auch noch die Story "Frenkie hat Fans auf der ganzen Welt", mit einem Bild von Schinkels mit einem begeisterten Thai Wange an Wange.

Nach dem Thailand-Urlaub des Sportdirektors versuchten die SKN-Verantwortlichen noch vergeblich Roman Wallner an Bord zu holen. Aber die Zeit war zu kurz, um Wallner einen Gagenverzicht gegenüber dem Grödig-Kontrakt einzureden. Das Comeback von Andreas Dober machte SKN-Generalmanager Andreas Blumauer noch während des Jänner-Urlaubs von Schinkels selbst perfekt. Der 28-Jährige bekam auf Zypern bei Ethnikos Achna weder viel Geld noch Einsatzzeit und darf sich in St. Pölten (Vertrag bis Juni) wieder für Größeres empfehlen.

Wo Dober auflaufen wird, wird interessant. Zuletzt kickte er rechts hinten, aber dort wird nun David Stec gesetzt sein. Auf den Spielberichtsbögen müssen vier Spieler stehen, die nach dem 1. Jänner 1993 geboren sind, sonst gibt es keine Förderung aus dem begehrten Österreicher-Topf. Klammert man den dritten Torhüter Lukas Schwaiger aus, bleiben im Profi-Kader des SKN nur noch fünf Spieler übrig: David Stec, Christian Hayden, Michael Drga, Jannick Schibany und Mario Mosböck über. Außer Stec gehört davon keiner zum Stamm. Vielleicht hat ihn Schinkels deswegen (siehe Bild rechts) schon vorsorglich aufgepäppelt.

Den schwarzen Peter bekamen die Spieler

Sportlich wird das Frühjahr allein schon wegen des geringen Abstands zu den Abstiegsplätzen spannend. Vor 15 Jahren war die Ausgangsposition nicht viel anders. Nachdem im Wiener Hilton aber keine Frohbotschaft mehr verkündet worden war, beantragten die Spieler beim Landesgericht St. Pölten Konkurs und nicht einmal einen Monat später ließ die Bundesliga die KPMG Alpentreuhand die Liquidität des FCN überprüfen und entzog Ende Februar 2000 dem Klub die Lizenz. "Wieder einmal wird ein fantastischer Obmann für seine Sturheit zum Sündenbock gemacht", meinte Obmann Franz Hein, "hätten die Spieler den Mund gehalten, wäre das alles nicht passiert."

Der Konkursantrag der Spieler beim Landesgericht St. Pölten Mitte Februar 2000 besiegelte den Untergang des FCN. Die Bundesliga beauftragte die KPMG Alpentreuhand mit einer Sonderprüfung des Vereins und entzog dem Klub anschließend noch vor dem Frühjahrsankick die Lizenz.

Wenigstens ein Stadion gibt es mittlerweile

Immerhin wurde inzwischen ein kleines, aber feines Stadion dank 26 Millionen Euro Unterstützung von Bund, Land und Stadt Realität. Den Ankick in der bei einem Blitzturnier mit 8.000 Zuschauern ausverschenkten NV Arena nahmen Erwin Pröll in Landesfarben und DJ Ötzi im Wimbledon-Pulli (siehe Bild rechts) vor.

Bleibt für die St. Pöltner Sportfans nur zu hoffen, dass die Arena nicht ähnlich verwaist, sollte der SKN in die Regionalliga absteigen, wie die benachbarte Tennisarena. Hier finden seit 2005 keine Profi-Turniere mehr statt. Die letzte große Investition dort war ein Windnetz um 5,5 Millionen Schilling (rund 400.000 Euro). Das berappte das Land NÖ alleine. Der Beschluss war schnell gefasst, nachdem kurz zuvor mit dem Untergang des FC Niederösterreich ein großer Budgetposten weggefallen war.

Mehr dazu:
>> Wie macht das der Frenkie Schinkels?
>> Nur DJ Ötzi rockte die ausverschenkte NV Arena

Thomas Schöpf

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