07.10.2016 09:49 Uhr

Wagner exklusiv: Werde meine Art nicht ändern

Sandro Wagner läuft seit dieser Saison für die TSG Hoffenheim auf.
Sandro Wagner läuft seit dieser Saison für die TSG Hoffenheim auf.

Sandro Wagner ist ein Spieler, der polarisiert und kein Blatt vor den Mund nimmt. Im Exklusiv-Interview spricht der Stürmer über den starken Saisonstart mit der TSG Hoffenheim, seine persönlichen Ziele, die Nationalmannschaft, seine Außendarstellung und pöbelnde Fans.

Hallo Sandro, Hoffenheim steht nach sechs Spieltagen mit zehn Punkten auf dem siebten Platz der Tabelle. Wie schätzt Du Euren Start in die neue Spielzeit ein?

Sandro Wagner: Wir sind ordentlich in die Saison gestartet. Auch wenn es zu Beginn noch etwas gedauert hat, bis wir uns gefunden haben, weil viele neue Spieler dazu kamen und wir das System des Trainers erst einmal verinnerlichen mussten. Mit etwas mehr Glück hätten wir sicher auch noch den ein oder anderen Punkt mehr haben können. Wir sind ungeschlagen, das ist sehr positiv. Genau wie unser Trend: Wir haben zwei Mal nacheinander gewonnen. Daher bin ich zufrieden.

Wie ist das Training unter Deinem neuen Coach, Julian Nagelsmann?

Er hat einen komplett anderen Ansatz, als die Trainer, die ich davor hatte. Es ist alles sehr interessant und ich lerne jeden Tag noch etwas Neues dazu. Es ist ein Spielstil, an den ich mich auch noch gewöhnen muss, weil er anders ist als beispielsweise noch in der letzten Saison in Darmstadt. Ich habe weniger Strafraumsituationen, weniger Kopfballduelle, was mir natürlich eine gewisse Stärke raubt, aber ich versuche mich zu integrieren und der Trainer hilft mir super dabei. Der Coach ist sehr innovativ. Trotzdem belässt er das Spiel auf den Grundideen, wie Fußball entsteht und macht das Spiel nicht komplizierter, als es ist. Er hat eine gute Mischung zwischen modernen Methoden und traditionellen Inhalten wie Kampf und Leidenschaft. Er ist ein sehr guter Trainer, der bestimmt eine erfolgreiche Zukunft vor sich hat.

Du hast schon einige Stationen hinter Dir. Gefühlt war es aber so, dass Dir der "kleine Durchbruch" erst in der letzten Saison bei den Lilien gelang...

Bei Darmstadt 98 hatte ich rein von der Statistik her sicher meine beste Saison. Das lag vor allem daran, dass ich verletzungsfrei geblieben bin und Stammspieler war. Das war genauso ausschlaggebend wie die guten Mitspieler und der gute Trainer. Aber ich habe auch davor schon erfolgreiche Stationen gehabt. Ich habe in jungen Jahren Champions League gespielt mit Werder, da kann man durchaus von einem Durchbruch sprechen.

Du warst einer von vielen, der den SVD98 nach der letzten Saison verlassen hat. Auch Euer Erfolgscoach, Dirk Schuster, wechselte den Klub und ging nach Augsburg. Hast Du nie überlegt, ihm zu folgen?

Ich habe mir im Sommer viele Gedanken gemacht, in alle Richtungen. Ich habe auch mit Dirk Schuster gesprochen, habe auch immer noch ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Aber für mich war das Gesamtpaket in Hoffenheim einfach perfekt. Von daher war von Anfang an klar, dass ich hierher möchte. Nirgendwo anders hin in Deutschland und auch nicht nach England. Ich bin sehr zufrieden mit der Entscheidung, denn der positive Eindruck hat sich bislang bestätigt.

Es gab da ja allerdings auch Gerüchte, die Dich im Sommer mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht haben ...

Das wäre überhaupt keine Option für mich gewesen, weil ich in einem sehr guten Fußballalter bin und spielen möchte. Und da die Spielzeit in München sehr gering gewesen wäre, ist es für mich von Anfang an klar gewesen, dass ich dahin gehe, wo ich spiele. Vor Darmstadt habe ich ein Jahr kaum gespielt und bin nur von der Bank gekommen.  

Der Bundestrainer hat die letzte EM analysiert und in einem dreitägigen Workshop etwas "Kurioses" festgestellt, nämlich, dass Deutschland zu viele Chancen für ein Tor braucht. Was sagst Du dazu?

Dass es eine treffende Analyse ist. Nur so viel: Grundsätzlich sage ich gern meine Meinung, aber beim Thema Nationalmannschaft möchte ich mich ein wenig zurückhalten.

Warum hat es aus Deiner Sicht bisher nie mit einer Nominierung für die A-Nationalmannschaft geklappt?

In den vergangenen Jahren war meine Quote über eine Saison hinweg nicht gut genug. Aber in der zurückliegenden Runde habe ich die zweitmeisten Tore aller deutschen Spieler in der Bundesliga gemacht. Da könnte man eine Rolle spielen. Aber am Ende ist es so: Entweder es lädt dich ein Trainer ein oder eben nicht. Und in meinem Fall ist das nicht so und das muss man akzeptieren. Für jeden Fußballer ist es schön, für sein Land zu spielen. Und da das Land Bayern keine Nationalmannschaft hat, hoffe ich weiter für Deutschland spielen zu dürfen. (lacht)

Du nimmst oft kein Blatt vor den Mund und sagst frei von der Leber weg Deine Meinung. Wie zufrieden bist Du mit Deiner Außendarstellung?

Die ist für mich zweitrangig. Ich mache meinen Beruf, das ist Fußballspielen, und ich bin sehr zufrieden, wenn ich am Ende des Tages in den Spiegel schaue. Sowohl mit meiner Karriere als auch mit der Art, wie ich bestimmte Dinge angehe. Ich bin keiner, der Floskeln bringt, das könnte ich nicht mir vereinbaren. Und deshalb werde ich meine Art nicht ändern.

Würdest Du die These, dass Fußballer zu wenig verdienen, nach dem ganzen Medien-Echo, heutzutage anders formulieren?

Man kann sich immer über Formulierungen streiten. Aber im Großen und Ganzen stehe ich dazu.

Bei Eurem furiosen 4:4 in Mainz gab es von den Rängen einige Beleidigungen, die arg unter die Gürtellinie gingen. Wie schätzt Du sowas ein?

Diejenigen, die sich Samstagnachmittag in die Kurve stellen, um Spieler oder deren Eltern zu beschimpfen, kann ich nicht ernst nehmen. Wenn du nur halbwegs bei Sinnen bist, rufst oder singst Du sowas nicht. Vor dem Fußballstadion legt der ein oder andere seine Hemmschwelle und das gute Benehmen ab. Schmähgesänge haben sich etabliert. Im Endeffekt ist es ja eigentlich nur schade für die Heimmannschaft, wenn die ganze Energie der Fans auf das Beschimpfen des Gegners verwendet wird und nicht auf den Support der eigenen Mannschaft.  

Nochmal zurück zum Fußball: Wenn Du zurückblickst, wer war Dein größter Förderer?

Den suche ich noch. (lacht) Im Ernst: Klar, gab es den ein oder anderen, der gesagt hat, dass ich das Zeug zum Profi habe. Aber es gab keinen, den ich herausheben möchte. Ich habe mich schon immer auf mich selbst verlassen und mein Ding durchgezogen. Ich hatte super Trainer bei Bayern: Hummels, Gerland oder Stephan Beckenbauer, der leider verstorben ist. Das waren überragende Jugendtrainer. Und auch Heiko Vogel hat mir sehr geholfen in meiner Karriere beim FCB. Das waren alles Trainer, von denen ich viel gelernt habe.

Was war Dein größter Fehler?

Aus jedem Fehler, den man gemacht hat lernt man, jede Entscheidung prägt einen. Aus Fehlern lerne ich viel mehr als aus positiven Erkenntnissen oder Erfolgsgeschichten. Und ich finde es auch wichtig, dass man dadurch reift und sich als Mensch weiterentwickelt.

Wie sehen Deine langfristigen Ziele aus?

Ich bin in einem sehr guten Fußballer-Alter, fühle mich super. Ich habe in Hoffenheim einen langfristigen Vertrag unterschrieben und möchte gern eine maximale Leistung zeigen. Deswegen ist es auch wichtig, verletzungsfrei zu bleiben. Großartig langfristig denke ich aber nicht. Ich hoffe, dass wir am Ende der Saison gemeinsam einen guten Platz in der Tabelle haben. Dazu will ich mit Einsatz und Toren meinen Teil beitragen.

Das Interview führte Chris Rohdenburg

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