08.11.2016 12:00 Uhr

Wird der beste Kandidat Rapid-Trainer?

Dietmar Kühbauer und Damir Canadi gelten als Topfavoriten für den Job als neuer Rapid-Trainer
Dietmar Kühbauer und Damir Canadi gelten als Topfavoriten für den Job als neuer Rapid-Trainer

Darf der beste Kandidat Rapid-Trainer werden, obwohl er 1989 ein einziges Bundesliga-Spiel für die Austria absolviert hat? Wenn ja, dann kann der neue Trainer beim Rekordmeister nur Damir Canadi heißen.

Samstag, 27. Mai 1989: Oberes Playoff. Vor nur 1.500 Zuschauern auf dem Sportclub-Platz wechselt Austria-Trainer Erich Hof in der 73. Minute Damir Canadi ein. Das 19-jährige Talent kann im Finish die 1:3-Niederlage der Violetten nicht mehr verhindern. Aber kostet ihm dieser Kurzeinsatz 27 Jahre später den prestigeträchtigsten Job im österreichischen Vereinsfußball?
>> Der einzige Bundesliga-Einsatz von Damir Canadi für die Austria

Geht es nach lautstarken Teilen der grün-weißen Anhängerschaft, dann kann ein Ex-Austrianer niemals Rapid-Trainer werden. Vielleicht sollte man ihnen in Erinnerung rufen, dass mit Peter Pacult und Josef Hickersberger die beiden letzten Meistermacher in Wien-Hütteldorf eine violette Vergangenheit beim Erzrivalen haben.

Kennt die Liga, holt das Maximum heraus und arbeitete sich von unten nach oben

Wenn der von Rapid-Präsident Michael Krammer am Montag angesprochene "Kriterien-Katalog" auch nur halbwegs ernst zu nehmen ist, dann kann der neue Chefcoach beim SK Rapid nur Damir Canadi heißen.

Der Erfolgstrainer des SCR Altach steht mit den Vorarlbergern punktegleich mit Leader Sturm Graz an der Bundesliga-Tabellenspitze. Mit einer weit billigeren Mannschaft hat er bisher gleich neun Zähler mehr geholt als der um Millionen und einen neuen Transfer-Vereinsrekord verstärkte Rapid-Kader. Vielleicht ein Bonuspunkt beim "Block West": Zuletzt zerlegte er mit den Altachern die Austria mit 5:1.

Damir Canadi wurde am 6. Mai 1970 in Wien geboren, hat aber bis heute seine kroatischen Wurzeln nicht vergessen. Seine Spielerkarriere führte ihn über die Austria, den FavAC, Altach, Stockerau, Mödling, Vienna, erneut den FavAC, Sportklub, Schwechat, Parndorf, Deutschkreutz, Zwettl, Leopoldsdorf im Marchfelde, Leobendorf, Fortuna 05 und Rohrbach/Gölsen nach Bockfließ.

Dort endete im Herbst 2009 in der 2. Klasse Marchfeld A die Spielerlaufbahn der Nummer acht von Bockfließ. Ein angeborener Hüftschaden hatte den Durchbruch des Edeltechnikers nach ganz oben verhindert. Vielleicht stachelte dies den Ehrgeiz an und gab ihm bei seiner Betreuer-Laufbahn die Kraft für den harten Weg ins Oberhaus.

Als Spielertrainer in Leopoldsdorf hatte begonnen, was Canadi als Coach bei Fortuna 05, beim SV Donau, dem PSV Team für Wien, dem FAC, als Assistent von Rashid Rakhimov in Moskau bei Lok, erneut dem FAC, Simmering und beim FC Lustenau nach Altach führte. Auch dort bekam er keinen Platz in der Bundesliga "geschenkt", sondern führte die Mannschaft in der Saison 2013/14 in der Ersten Liga souverän zum Meistertitel.
>> Die Aufstiegs-Saison des SCR Altach mit Damir Canadi in der Ersten Liga

Aufstieg, Europacup, Rückschläge verdaut und nun an der Tabellenspitze

In der österreichischen Bundesliga setzte Canadi mit dem Aufsteiger den Erfolgslauf fort. Hinter RB Salzburg und Rapid führte er Altach sensationell auf Platz drei, während die Austria etwa nur auf Rang sieben landete.

In der folgenden Saison warf er mit den Vorarlbergern obwohl man des Heimvorteils beraubt war und im Europacup nach Innsbruck ausweichen musste, völlig überraschend Vitória Guimarães aus dem Bewerb. Speziell beim 4:1-Sieg im Rückspiel in Portugal zeigte seine Mannschaft eine Glanzleistung und brachte einen Gegner aus einer weit stärkeren Liga im UEFA-Ranking zur Verzweiflung.
>> Der 4:1-Triumph von Altach bei Vitória Guimarães

Erst im Playoff der Europa League war gegen Os Belenenses bittere Endstation. Ein einziger Treffer kostete den Einzug in die Gruppenphase. Ein Rückschlag mit dem man in Altach in der Bundesliga lange zu kämpfen hatte. Die Mannschaft rutschte in der Tabelle nach unten, doch Canadi und seine Mannschaft bewiesen Charakter. Letztlich wurde sicher der Klassenerhalt fixiert.

Macht Ausstiegsklausel den Weg nach Hütteldorf frei?

In der laufenden Saison zeigt der Sportclub Rheindorf längst wieder im Bundesliga-Vorderfeld auf. Daheim eine Macht und im "Schnabelholz" noch ungeschlagen: So lässt man Titelverteidiger RB Salzburg, die Austria und Rapid hinter sich. Nun könnte eine Ausstiegsklausel im Canadi-Vertrag in Altach den Wien nach Wien-Hütteldorf frei machen.

Jedoch trifft bei Rapid kein Sportchef mit Fußball-Fachverstand die Entscheidung darüber, wer neuer Trainer wird. Die Grün-Weißen stehen seit Montag und der Trennung von Andreas Müller ohne einen Geschäftsführer im sportlichen Bereich da. Ein neuer Verantwortlicher für diese Position wird erst nach dem neuen Coach präsentiert.

Der Neo-Betreuer soll dagegen noch in der Länderspielpause präsentiert werden. Rapid-Präsident Krammer und der wirtschaftliche Geschäftsführer Christoph Peschek werden nach "Beratung mit erfahrenen Personen aus dem Rapid-Umfeld" eine Entscheidung treffen. Dort werden auch die Namen Dietmar Kühbauer und Andreas Herzog genannt werden.

Beide Ex-Rapidler. Beide stehen bei den Fans hoch im Kurs. Kühbauer mit Bundesliga-Erfahrung als Trainer bei Admira Wacker und dem WAC, Herzog hingegen "nur" im U21-Nationalteam, Chefcoach der US-Olympiaauswahl (mit beiden Mannschaften scheiterte er in der Qualifikation) und Assistent von US-Teamchef Jürgen Klinsmann. Das von Krammer erwähnte Kriterium als Trainer einer Kampfmannschaft, der diese in einen Bewerb geführt haben muss, schließt Herzog jedoch aus. Ebenso wie Interimscoach Thomas Hickersberger.

Die "Bild"-Zeitung brachte dafür Ferencváros-Meistermacher Thomas Doll ins Spiel und auch Ex-Basel-Erfolgscoach Murat Yakin soll bereits Rapid angeboten worden sein. Beides keine Kenner der österreichischen Liga. Sie wissen nicht um die Stärken und Schwächen der Rapid-Spieler sowie ihrer Kontrahenten bei den einzelnen Gegnern. Darüber stolperte schon Mike Büskens.

Eine logische Entscheidung wäre daher ein Experte, der in Österreich nicht nur das Oberhaus bestens kennt, sondern auch in der Ersten Liga, Regionalliga oder Nachwuchs-Partien Stammgast ist. Sein Name? Damir Canadi.

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Christian Tragschitz

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