17.01.2021 08:30 Uhr

Als das beste Team der Welt den Oktopus holte

Wenn die Krake ihren Hunger stillt. Hier zappelt City-Keeper Eike Immel im Netz.
Wenn die Krake ihren Hunger stillt. Hier zappelt City-Keeper Eike Immel im Netz.

Lang, lang ist's her, als hierzulande die Meisterfrage hieß: Rapid oder Sturm? Am Ende entzauberten die "Daltons" (Didi Kühbauer, Stefan Marasek, Sergey Mandreko und Zoran Barišić) das "Magische Dreieck" (Mario Haas, Ivica Vastic und Hannes Reinmayr) und ihre Funktürme (Carsten Jancker und Christian Stumpf) skalpierten Feyenoord. Auf der Insel diktierte Newcastle United (lange) das Geschehen, ehe der Oktopus an Bord ging.

Vor 25 Jahren war die Fußballwelt in Newcastle upon Tyne noch eine heile. Das Brown Ale (damals geschütze Marke) floss im James' Park in Strömen. Die vereinigten "Newcastle Breweries Ltd." waren Dressensponsor und Newcastle United konnte richtig auf dicke Hose machen.

Die größten Sorgen von Manager Kevin Keegan waren, ob er beim nächsten Spiel Goalgetter Les Ferdinand, Ikone Peter Beardsley oder Edeltechniker David Ginola als Sturm-Joker auf der Bank lässt und wie er das nordirische Jahrhundertalent Keith Gillespie am besten einbaut.

Im Jänner und Februar 1996 benötigten ManU-Manager Alex Ferguson und Liverpool-Manager Roy Evans noch Feldstecher, um Newcastle United in der Tabelle zu sichten. Der Boulevard rätselte gar, ob Newcastle United aktuell das "beste Team der Welt" habe.

Wenn "El Chapo" mitschneidet

Damit aber nicht genug. Die "Magpies" wollten unbedingt auch im Winter-Transferfenster eine Marke setzen und holten eine der heißesten Aktien, Faustino Asprilla - Parmas kolumbianischen Wunderwuzzi, bei dessen Verkauf an die Schinkenstätter Drogen-Boss "El Chapo" (Joaquín Archivaldo Guzmán Loera) bei Atlético National auch fett mitgeschnitten haben soll.

Newcastles Linksverteidiger Robbie Elliott erinnert sich im "Guardian" bestens an Kumpel Asprilla: "Tinos Spitzname war Oktopus, weil seine langen Beine überall waren und niemand wusste, was er als nächstes anstellt."

Recht bald wurde aber auch klar, dass der Oktopus seine Tentakel nicht nur sinnvoll einsetzt. Gleich nach seiner Unterschrift griff er mit Freunden im Stadion mittags zu ein, zwei Glaserl Schampus. Nichts ahnend, dass ihn Keegan Stunden später gegen Middlesbrough schon auf die Bank setzen wolle, "nur zur Sicherheit".

Asprilla feierte dann sogar ein berauschendes Debüt! Nach seiner Einwechslung verwandelten die Magpies einen 0:1-Rückstand noch in einen 2:1-Sieg. "Er hat so verdammt gut gespielt, dass sofort klar war, den kann er nicht mehr rausstellen", erinnert sich Innenverteidiger Warren Barton.

Dass Asprilla hin und wieder mit einer Waffe beim Training auftauchte und Sprüche wie "wenn wir nicht Meister werden, erschieße ich euch", fanden dann nicht alle lustig. Böse war ihm aber keiner. Wie auch? "Das war einfach Tino. Oder haben sie schon einen Erwachsenen gesehen, der im Mickey-Mouse-Shirt oder im Donald-Duck-Leiberl zur Arbeit kommt?", fragt Barton.

"Manchmal war es aber schon auch frustrierend", ergänzt Elliot, "wenn du weißt, er ist bei der nächsten Gelben gesperrt und siehst ihn nach einem Tor schon wieder zur Cornerfahne rennen und sein Leiberl herunterreissen." Oder wenn Co-Trainer Terry McDermott bei der Heimreise im Bus ihm auf die Schulter klopfte und als "Legend" lobte und Asprilla entgegnete: "Nein, heute bin ich nicht im Legend's, sondern im Julie's" - also im anderen Promi-Nachtklub in Newcastle.

Die Saison endete für Newcastle alles andere als legendär. Trotz einiger Geniestreiche Asprillas durften die "Magpies" wieder nicht den ersten Meistertitel seit 1927 feiern, sondern hatten einmal mehr Manchester United zu gratulieren. Nachdem Gillespie sich verletzt hatte, Ginola nicht mehr ganz fit war und Bearsdley auf den rechten Flügel rücken musste, kam das Werkl ins Stocken. "Tino und ich haben im Zentrum nicht mehr genug Tore gemacht, so ehrlich muss man sein", gibt Ferdinand heute zu.

Dann kam die EURO im eigenen Land und der Stern von Alan Shearer bekam immer mehr Strahlkraft. Keegan gewann das Tauziehen um den Superstar gegen Ferguson, aber selbst "Local Hero" Sherarer vermochte mit Asprilla nicht die Magpies zum Titel zu schießen.

>> "War schon zu 90 Prozent bei Manchester United"

Obwohl sich Shearer und Asprilla auf und abseits des Platzes blendend verstanden, hatte der Oktopus dann einen seiner letzten großen Auftritte im Magpies-Dress gegen Barcelona nur deswegen, weil sich Shearer verletzt hatte. Ursprünglich wäre er nämlich auf der Bank gesessen; tatsächlich schenkte er dann aber den von Louis van Gaal betreuten Katalanen in der Champions League gleich drei Stück ein.

"Das werde ich nie vergessen", erzählt Barton, "Sergi war ein Weltklasse-Mann und Tino hat ihn von der ersten Minue an schwindelig gespielt. Bei seinem Kopfball-Tor war er so hoch in der Luft, dass ich geglaubt habe, jetzt verwandelt er sich auch noch in Michael Jordan ... der St. James' Park hat gebebt."

Versicherung - Pornos - Kondomverkäufer

Nach dem Abgang von Keegan suchte auch Asprilla bald wieder das Weite und wechselte zurück nach Parma (Jänner 1998). Nach seiner Fußballer-Laufbahn war er in der Versicherungs- und Porno-Branche tätig. Seit 2014 ist er erfolgreicher Kondom-Produzent. Wenn es in Kolumbien zur Sache geht, verhüten nun viele mit "Tino".

ts 

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