26.08.2014 07:52 Uhr

Die traurigen Rekorde des Rekordmeisters

Werner Kuhn und Michael Krammer: Wo hin geht die Reise?
Werner Kuhn und Michael Krammer: Wo hin geht die Reise?

Rapid ist die Nummer eins in Wien. Nach dem Derby gegen die Austria klingt das aber mehr nach Sarkasmus und Hohn. Traurig aber wahr: Der Erzrivale ist als einzige Bundesliga-Mannschaft noch sieglos und auch die Grün-Weißen sorgten in der bisherigen Saison nur durch negative Rekorde für Schlagzeilen. Grund für eine Spurensuche.

weltfussball wirft einen Blick auf die Ursachen für den völlig verpatzten Start in die Spielzeit 2014/15. Zunächst ein Blick auf die Fakten: Erstmals in der Vereinsgeschichte, die 1898 als 1. Wiener Arbeiter Fußball Club begann und ab 8. Jänner 1899 als Sport-Club Rapid fortgesetzt wurde, gelang es erst im achten Pflichtspiel zwei Treffer zu erzielen. So ungefährlich war Rapid in 116 Jahren noch nie!

Am Sonntag kassierten die Hütteldorfer dann beim 2:2 in Favoriten das schnellste Gegentor der Derbygeschichte. Nach dem eigenen Anstoss zur Partie selbst für Nachwuchsmannschaften ein stolzer Wert. Der Ausgleich von Robert Berič war dann überhaupt der erste Treffer, welcher vor der Pause gelang. Sieben Spiele ohne Tor in den ersten 45 Minuten: Rapid macht's möglich.

Gut ist was billig ist - Qualität kann sich Rapid nicht leisten

Rapid-Trainer Zoran Barisic und Sportdirektor Andreas Müller hatten sich schon vor dem Derby allen Fragen und der Kritik gestellt. Ohne Durchhalteparolen nahmen die beiden sportlichen Entscheidungsträger auf dem Podium Platz und mussten sich für jene Fehlentwicklung rechtfertigen, welche die wirtschaftlichen Verantwortlichen verschuldet haben.

Verschuldet im wahrsten Sinne des Wortes. Der populärste Verein des Landes hat es trotz der Erfolge der Vergangenheit und dem für österreichische Verhältnisse unglaublichen Fanzuspruch nie geschafft, ausgeglichen zu bilanzieren. Das "negative Vereinskapital" musste stets durch die Verkäufe der besten Spieler oder durch Europacup-Teilnahmen abgebaut werden.

In einigen Jahren gelang dies jedoch nicht und führte bis heute zu einem Defizit, dass die aktuelle sportliche Misere mitbegründet. Dann müssen noch dazu die falschen Personen als Buhmänner und Schuldige herhalten: Eine überforderte Mannschaft, ein Trainer mit Regionalliga-Erfahrung und ein in Deutschland aussortierter Sportdirektor.

Gut ist, was billig ist. Qualiät (wie beim Klassenfeind in Salzburg) kann sich Rapid längst nicht mehr leisten. Nicht auf dem Spielfeld, nicht auf der Betreuerbank und auch nicht auf der Tribüne. Das Sportbudget wurde empfindlich reduziert und die drei besten Torschützen der vergangenen Saison verloren. Wurden sie adäquat ersetzt? Nein. Kann man so sein Niveau halten oder vielleicht sogar besser werden? Nein. Will man die Öffentlichkeit mit dieser bitteren Wahrheit konfrontieren? Nein.

"Wer ist um neun in Hektik schon? Werner Kuhn mit Telefon!"

Dazu kommen noch Vorfälle wie in Helsiniki, wo sich die mitgereisten Rapid-Anhänger nach der Pleite im Playoff-Hinspiel der Europa League gegen HJK aus Zorn, Wut und Frust zu völlig überzogenen gestreckten Mittelfingern und Beschimpfungen der eigenen Spieler hinreißen ließen. Verantwortlich wurden dabei jedoch der Situation nicht gewachsene Talente aus der eigenen Amateurmannschaft, oder für die Erwartungshaltung beim Rekordmeister großteils nicht geeignete Spieler gemacht. Man kann dieser Mannschaft mangelnde Qualität vorwerfen, aber nicht Mangel an Einsatz.

Die Hintergründe liegen wie meist tiefer. Und scheinen zuletzt kaum noch im Rampenlicht auf. Präsidenten, Trainer, Spieler kamen und gingen. Aber ein Mann sitzt bei Rapid seit 1994 fest im Sattel. Früher als Manager und damals noch bei einer Weihnachtsfeier nach der Melodie der "Schlümpfe" mit einer eigenen Textzeile abgefeiert: "Wer ist um neun in Hektik schon? Werner Kuhn mit Telefon!"

Mittlerweile sitzt der 60-Jährige immer noch an den wirtschaftlichen Schalthebeln des Vereins. Inzwischen als General Manager tituliert, ließ sich der ehemalige Radfahrer zuletzt für den langfristigen Deal mit der "Allianz" als Namensgeber für das geplante neue Stadion feiern. Zuvor war er dadurch in Erscheinung getreten, dass er vor dem Start der Frühjahrssaison freudestrahlend einen Infrarot-Heizungs-Paneel als neuen Partner präsentiert hatte.

Dabei schien im November des Vorjahres bei der Wahl von Michael Krammer als neuer Rapid-Präsident die Amtszeit von Kuhn vor dem Aus zu stehen. Der neue Vereinsboss präsentierte eine "Ausgliederung des Profibetriebes in eine Aktiengesellschaft" als eines seiner sieben Projekte. Selbst die APA ließ sich damals zum Satz "Die Ära von Rapids Langzeit-Manager Werner Kuhn könnte zu Ende gehen" bewegen und begründete dies damit, weil "die Stellen auf der zukünftigen Vorstandsebene neu ausgeschrieben werden sollen."

Auch Ex-Coach Pacult meldet sich zu Wort

Ende August 2014 heißt der General Manager des SK Rapid jedoch immer noch Werner Kuhn. Dies dürfte jedoch nicht nur völlig außer Rand und Band geratenen radikalen Fangruppierungen ein Dorn im Auge sein, die den Familienvater ins Visier ihrer längst zu weit gehenden Aktionen nahmen. Zuletzt meldete sich sogar Ex-Rapid-Coach Peter Pacult zu Wort. Im "Kurier" konnte er sich nicht erklären, "warum der Herr Manager Kuhn im Jahr 2006 stolz erklärt hat, dass Rapid schuldenfrei ist. Und wir nach dem Verkauf etlicher Spieler plötzlich dann doch wieder Schulden g’habt haben."

Die "Krone" informierte er nach dem schlechtesten Saisonstart seit 1992 per SMS darüber, dass "alles, was ich seit 2007 aufgebaut habe, seit 2011 zerstört worden ist. Das tut weh. Ich bin jetzt schon gespannt, ob es in zwei Jahren überhaupt ein neues Stadion gibt." Starke Worte für einen mit fliegenden Flügeln ins Reich von Red Bull querfinanzierten Ex-Austria-Stürmer.

Mangelnder Stil. Keine Klasse. Eines jedoch kann man dem Floridsdorfer nicht absprechen: Dass er Rapid 2008 zum bisher letzten Meistertitel führte. Davon war der Rekordchampion  in der vergangenen Saison als Vizemeister hinter RB Salzburg gleich 18 Punkte entfernt. In der laufenden Spielzeit sind es nach erst sechs Runden bereits zwölf Zähler. Tendenz stark steigend.

"Gefällt Dir unser Spiel nicht?"

Der aktuelle Rapid-Coach Zoran Barisic stellte zuletzt auf der Pressekonferenz vor dem Derby die Gegenfrage "Gefällt Dir unser Spiel nicht?" an einen Reporter. Er blieb auch sonst ruhig und sachlich in seinen Analysen. Der Ex-Teamspieler weiß, welches beschränkte Material ihm zur Verfügung steht. Am Donnerstag (ab 20:30 Uhr im weltfussball-Liveticker) fällt im Playoff-Rückspiel der Europa League gegen HJK die Entscheidung, ob es dennoch erneut zum Einzug in die Gruppenphase reicht.

Für den Verein wäre es wirtschaftlich ein enorm wichtiger Schritt. Möglicherweise würde ein Aufstieg auch die Fans besänftigen. Doch es würde nicht die Probleme der Grün-Weißen beseitigen.

Man verlor den Heimvorteil im eigenen Stadion, ohne bisher eine Baugenehmigung für den Um/Neubau in Hütteldorf zu haben. Der neue Präsident sprach von den Top 50 in Europa, obwohl man in Österreich nur auf Platz fünf und zwölf Zähler hinter dem Wolfsberger AC (mit einem weit kleineren Budget als Rapid) liegt. Man thematisierte neue Vereinsstrukturen und überlässt immer noch dafür nicht qualifizierten Personen die wirtschaftliche Kommandozentrale. Es braucht mehr als Siege, um Rapid eine bessere Zukunft zu ermöglichen.  

Mehr dazu:
>> Rapid will aus Derby Positives mitnehmen

Christian Tragschitz

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