20.09.2014 17:54 Uhr

Lyon: Niedergang eines Aushängeschildes

Mouhamadou Dabo und Olympique Lyon am Boden
Mouhamadou Dabo und Olympique Lyon am Boden

Paris gegen Lyon – zwei ganz große Namen des französischen Fußballs treffen am Wochenende aufeinander. Was nach Topspiel klingt, ist in Wahrheit ein Duell der gegensätzlichen Entwicklungen: Während die Hauptstädter den Meisterschafts-Hattrick anstreben und mit mindestens einem Auge auf das Champions-League-Finale in Berlin schielen, haben die Gäste ganz andere Sorgen: OL droht, im Mittelmaß zu versinken.

Die Südostfranzosen galten noch vor einigen Jahren als die beste Adresse im französischen Fußball und dominierten Anfang des Jahrtausends die Liga beinahe nach Belieben. Die letzte Meisterschaft liegt allerdings bereits sechs Jahre zurück und auch auf internationaler Ebene kann Lyon schon lange nicht mehr an die Erfolge vergangener Tage anknüpfen. Zwischen 2000 und 2011 nahmen "Les Gônes" in jeder Saison an der Champions League teil und erreichten anschließend bis zum letzten Jahr zumindest immer noch die Europa League.

In der laufenden Saison schied OL in den Playoffs gegen Astra Giurgiu aus Rumänien aus und muss nun ohne Anteile an den internationalen Fleischtöpfen auskommen. Der Ligastart verlief ebenfalls alles andere als optimal: Nach fünf Partien dümpelt Lyon auf einem ernüchternden dreizehnten Tabellenplatz herum. Worin liegen die Gründe für den Niedergang des einstigen Aushängeschildes des französischen Fußballs?

Strategiewechsel auf dem Transfermarkt

Über viele Jahre verfolgte OL eine äußerst erfolgreiche Transferpolitik: Der Verein sicherte sich die Dienste vielversprechender und vergleichsweise günstiger Talente der Ligue 1, entwickelte die Rohdiamanten weiter und transferierte sie einige Jahre später für gutes Geld an europäische Topklubs. So verpflichteten Les Gônes Michael Essien 2003 von Bastia und verkauften ihn zwei Jahre später für 38 Millionen Euro an den FC Chelsea. Florent Malouda kam 2003 aus Guingamp, verbrachte vier sehr erfolgreiche Jahre an der Rhone und verabschiedete sich anschließend für knapp 17 Millionen ebenfalls nach London.

Auch die eigene Nachwuchsabteilung trug ihren Teil zum Erfolg bei: Karim Benzema lernte in der Jugendakademie von Lyon das Fußballspielen, erzielte zwischen 2004 und 2009 in 112 Ligapartien 43 Tore für OL und ging dann für rund 35 Millionen zu Real Madrid.

Der Bruch bei Olympique kam, als der Verein begann viel Geld für neue Spieler auszugeben und die Neuzugänge die an sie gerichteten Erwartungen nicht erfüllten. So wurden 2008 Jean Il Makoun, Ederson und John Mensah für insgesamt rund 40 Millionen Euro verpflichtet. Ein Jahr später folgten Lisandro Lopez, Aly Cissokho, Michel Bastos sowie Bafetimbi Gomis für rund 70 Millionen. Sie waren nicht oder nur selten in der Lage, die abgewanderten oder gealterten Leistungsträger, wie den langjährigen Spielmacher Juninho, zu ersetzen.

Mit abnehmendem sportlichen Erfolg verschwand zunehmend das Interesse internationaler Topvereine an der Verpflichtung von OL-Spielern und so gingen den Südostfranzosen schon bald die finanziellen Mittel aus. Über mehrere Jahre fuhr der Klub auf dem Transfermarkt ein dickes Minus ein und musste schnell kleinere Brötchen backen.

Ein ehemaliger Spieler als Heilsbringer auf der Bank

Zudem hatte OL-Präsident Jean Michel Aulas in letzter Zeit kein glückliches Händchen bei seinen Trainerverpflichtungen. 2008 trennte sich Lyon von Alain Perrin, der zuvor die Meisterschaft und den französischen Pokal gewonnen hatte. In den folgenden Jahren scheiterten nacheinander Claude Puel und Rémi Garde. Lyon blieb titellos, der Abwärtstrend hielt an.

Nun soll es Hubert Fournier richten. Für den neuen Übungsleiter und ehemaligen Spieler von OL ist Lyon die erste Trainerstation in einer großen europäischen Liga. Der Coach soll frischen Wind in die Mannschaft bringen und auch auf wirtschaftlicher Ebene gibt es Grund zur Hoffnung für Les Gônes.

Mit neuer Heimstätte zurück zu alter Stärke?

Nach jahrelangem Tauziehen um die Finanzierung und juristischen Querelen mit Gegnern des Projektes konnte OL Ende vergangenen Jahres mit dem Bau eines neuen Stadions beginnen. Das Stade de Lumiéres soll über 60.000 Zuschauern Platz bieten und dem Verein jährliche Mehreinnahmen von bis zu 100 Millionen Euro bescheren. Die Fertigstellung der neuen Spielstätte, die auch Austragungsort der nächsten Europameisterschaft werden soll, ist für Januar 2016 geplant. Klubchef Aulas hat als Ziel formuliert, "spätestens in der Saison 2016/17 wieder in der Champions League zu spielen".

Zunächst steht jedoch Sonntag (21:00 Uhr live im weltfussball-Liveticker) die Begegnung mit Paris auf dem Programm. Hubert Fournier hat für die kommenden Partien die Devise ausgegeben, "über 90 Minuten konstante Leistungen zu zeigen" und sukzessive die Punkte-Ausbeute zu verbessern. Diesbezüglich war der 2:1-Sieg am vergangenen Wochenende gegen Monaco möglicherweise ein Anfang und könnte mit einem Erfolg im Parc de Princes veredelt werden. Leicht wird dies freilich nicht: Die finanziell übermächtigen Hauptstädter sind klarer Favorit. Doch vielleicht können Les Gônes den neuen Platzhirschen der Ligue 1 zumindest für einen Abend Paroli bieten und bei ihren Fans die Hoffnung schüren, schon bald an die glorreichen Nullerjahre anzuknüpfen.

Mehr dazu:
>> Monaco: Untergang mit Ansage

Thomas Eßer

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