13.11.2016 08:00 Uhr

Kein EM-Team ist schwächer als Österreich

Vergebene Liebesmüh' - Kapitän Julian Baumgartlinger war einer der Besten
Vergebene Liebesmüh' - Kapitän Julian Baumgartlinger war einer der Besten

"Das Momentum ist nicht auf unserer Seite", meinte ÖFB-Teamchef Marcel Koller am Samstagabend nach der 0:1-Heimniederlage gegen Irland. Es klang wie blanker Hohn: Keiner der 24 EM-Teilnehmer steht in der WM-Qualifikation schlechter da als Österreich.

Drei Siege und ein Remis 2014. Sechs Siege 2015. Ein Sieg, zwei Remis und vier Niederlagen 2016. Die Pflichtspielbilanz des ÖFB-Teams zeigt eine klare Tendenz.

Bei den Fans hat das Nationalteam (noch) keinen Kredit verspielt. Bei der 0:1-Niederlage im letzten Pflichtspiel dieses Jahres gegen biedere Iren – die für Marko Arnautović "gar keinen Fußball spielen, nach meinem Geschmack" – unterstützten die Anhänger im ausverkauften Ernst-Happel-Stadion ihre Mannschaft bis zur letzten Minute der Nachspielzeit stimmkräftig.

Ein einziges Mal gab's Buhrufe und Pfiffe von den Rängen - bei der Auswechslung von Kevin Wimmer. In wessen Richtung die Kritik ging, ist leicht zu deuten: Da Wimmer trotz schwerer Schnitzer selbst kein einziges Mal ausgepfiffen worden war und der für ihn eingewechselte Stefan Ilsanker das Vertrauen der Fans genießt, liegt es auf der Hand, dass die "Teamchefs im Stadion" dem "Teamchef in echt" den Wimmer als Linksverteidiger auch nicht mehr abnehmen.

Experiment Wimmer scheint vorbei

Drei Tage vor seinem 24. Geburtstag verschuldete Wimmer mit einem patscherten Versuch ein Foul zu schinden den entscheidenden Konter und war anschließend völlig durch den Wind. Arnautović schützte ihn bei seiner Gegentoranalyse mittels Anonymisierung: "Vorne hat einer den Ball verloren, egal wer, zwei Pässe haben dann gereicht und es hat geklingelt."

Koller umkurvte die spielentscheidende Szene: "Wenn du ganz vorne den Ball verlierst, dann hat aber auch hinten nichts gepasst." Auf Nachfrage gestand Koller jedoch ein, dass Wimmer (der im Verein schon seit längerer Zeit nur als Innenverteidiger im Einsatz ist) "bei dem einen oder anderen Gegentor dabei war. Das kann man nicht abstreiten."

Damit dürfte dieses "Experiment" wieder vorbei sein. Beim Auftakt der WM-Qualifikation in Georgien war noch Markus Suttner auf der Position des zurückgetretenen ÖFB-Teamkapitän Christian Fuchs im Einsatz gewesen. Schmerzhaft macht das Festhalten an Wimmer auch die Tatsache, dass jener selbst als Innenverteidiger bei Tottenham derzeit kaum gefragt ist.

In seinem einzigen Spiel in der englischer Premier League in dieser Saison beim prestigeträchtigen North-London-Derby war der Oberösterreicher noch dazu mit einem Eigentor für den Spurz-Erzrivalen Arsenal negativ aufgefallen. Richtig bitter ist, was Tottenham-Manager Maruicio Pocchettino nach dem Partie in der Champions League in Leverkusen auf die Frage antwortete, warum er Ben Davies auf der Bank gegenüber Wimmer vorzog: "Wegen der Balance, weil er Innenverteidiger und Außenverteidiger spielen kann."

Schöpf und Sabitzer haben Form nicht mitgenommen

Auf der Hand lag diesmal für Koller die Aufstellung von Alessandro Schöpf rechts und Marcel Sabitzer in der Mitte der offensiven Dreierkette (als Ersatz für Zlatko Junuzović). Schöpf glänzt ebendort bei Schalke, Sabitzer begeistert bei Leipzig. "Leider kann man nicht davon ausgehen, dass es dann im Nationalteam so weiter läuft", brachte es der Teamchef auf den Punkt.
>> Leipzig mit Start-Rekord - Schöpf überragend

Beim Sabitzer-Schupfer in der 40 Minute fehlten nur Zentimeter. Die Großchance in der Nachspielzeit hätte ein Marc Janko in Form wohl gemacht, vielleicht mit einem Drehschuss anstelle eines Kopfballs gefühlte 5 Zentimeter über der Grasnarbe. Janko gelangen 2015 übrigens 29 Tore für Basel und Sydney FC, 2016 für die Schweizer bislang acht, drei davon im März. Im Team ist er immer gesetzt.

Nur vier Punkte hat sonst keiner

Von den 24 EM-Teilnehmern hat nach vier Runden der WM-Qualifikation niemand vier Punkte oder noch weniger am Konto wie Österreich. Rumänien, Türkei und Tschechien sind mit fünf Zählern marginal besser, Ungarn hat nach dem Sieg am Sonntag daheim gegen Andorra gar sieben Zähler.

"Wir werden noch versuchen, das Unmögliche möglich zu machen", sagt Koller und es klingt schon resignativ. Vor allem, wenn er dann noch hinzufügt: "Österreich hat nicht diese Möglichkeiten oder das Potenzial, dass ich sage, wir nehmen jetzt zehn Neue und das wird dann schon gehen."

Irlands Teamchef Martin O'Neill meint: "Österreich hat jetzt drei harte Schläge hinnehmen müssen. Das Unentschieden gegen Wales, drei Tore in Serbien und nun haben wir hier auch noch die 'Big Points' geholt. Aber sie haben noch immer eine Chance auf die WM. Die Gruppe wird eng bleiben." Wer O'Neill kennt, weiß, dass er immer sehr höflich und vorsichtig in seinen Aussagen ist.

Arnautović glaubt auch noch an die Chance, weil "sicher kein Team die nächsten sechs Spiele alle gewinnen wird." Österreich muss es aber fast. Der nächste Test findet Dienstag (ab 20:45 Uhr im weltfussball-Liveticker) gegen die Slowakei statt. Da wird dann auch der laut "FourFourTwo"-Magazin beste Außenverteidiger der Premier League in der Saison 2015/16 verabschiedet, Linksverteidiger Christian Fuchs.

Mehr dazu:
>> ÖFB-Team nach 0:1 gegen Irland unter Druck
>> Ergebnisse und Tabelle der WM-Qualifikationsgruppe D

Thomas Schöpf

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