16.09.2021 11:45 Uhr

Ex-Präsident Grindel hält DFB nicht für "unregierbar"

Reinhard Grindel, ehemaliger DFB-Präsident
Reinhard Grindel, ehemaliger DFB-Präsident

Der Blick zurück schmerzt Reinhard Grindel. Der frühere DFB-Präsident sitzt in einem Café unweit des Brandenburger Tors. Als er über seinen unfreiwilligen Abschied vom Deutschen Fußball-Bund vor mehr als zwei Jahren spricht, wird die Stimme schwerer.

"Ich habe im DFB bedrückendere Erfahrungen gemacht als in der Politik", sagt der einstige CDU-Bundestagsabgeordnete kurz vor seinem 60. Geburtstag an diesem Sonntag. Auch er habe, wie Vorgänger und Nachfolger, mit Illoyalität und Indiskretionen gekämpft - und verloren. "Unregierbar" sei der DFB aber nicht.

Zurückgetreten war Grindel im April 2019, nachdem öffentlich bekannt geworden war, dass er eine teure Uhr als Geschenk von einem ukrainischen UEFA-Funktionär angenommen hatte. Ein selbstverschuldeter Fehler, auch weil er dies nicht selbst gemeldet hatte. Der einstige Journalist hatte danach mehrfach geäußert, damit intern transparent umgegangen zu sein, Gegner im Verband hätten die Chance aber genutzt, um ihn zu stürzen. Er habe sich "auch zu wenig beschützt" und sei zu sorglos gewesen, sagt Grindel und nennt Namen, die auch in den nach ihm folgenden Krisen bedeutende Rollen spielten.

DFB mit "enormen Schaden"

Der DFB habe in den vergangenen Jahren "enormen Schaden" genommen, sagt Grindel. "Dass er aber - wie es öffentlich oft dargestellt wird - unregierbar ist, ist falsch. Wenn alle wirklich gemeinsam und als Team arbeiten würden, wäre der DFB wunderbar zu führen." Dafür müsse aber viel passieren. Nach dem Rücktritt von Grindels Nachfolger Fritz Keller, der Vizepräsident Rainer Koch mit dem Namen eines Nazi-Richters angesprochen und damit für den nächsten Eklat in einem belastenden Führungsstreit gesorgt hatte, will der Verband am 11. März 2022 einen neuen Anführer wählen.

Grindel warnt mit der Erfahrung aus seiner eigenen Amtszeit (2016 bis 2019): "Diese Hinterhältigkeiten habe ich noch nicht erlebt. Und so kommt der DFB nicht zur Ruhe, wenn handelnde Personen wie Rainer Koch nicht aus dem Präsidium rausgehen." Die Privatfehde zwischen Grindel und dem Chef des bayerischen Landesverbands ist seit Monaten öffentlich. "Reinhard Grindel hat in den letzten Wochen mehrfach gezeigt, dass er offensichtlich mit mir gebrochen hat", hatte Koch im Mai im ZDF-"Sportstudio" gesagt, als es um Vorwürfe rund um die WM-Affäre 2006 ging.

Koch führt den Verband derzeit mal wieder interimsmäßig (gemeinsam mit DFL-Aufsichtsratschef Peter Peters), im März will er zumindest nicht mehr für das Amt des 1. Vizepräsidenten kandidieren. Ein kompletter Rückzug des 62-Jährigen ist aber unwahrscheinlich, Koch vertritt den DFB auch im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union UEFA.

EM 2024 größter Erfolg

Diesen Sitz hatte Grindel zuvor besetzt, wie auch den im Council des Weltverbands FIFA. Sehr viele, zu viele Aufgaben für den auch deshalb kritisch beäugten DFB-Präsidenten, wie sich herausstellen sollte. Mit FIFA-Präsident Gianni Infantino kam Grindel selten überein. An die UEFA-Aufgaben denkt Grindel aber gerne zurück. Der Zuschlag für die Ausrichtung der EM 2024 sei "sicher der größte Erfolg in meiner Amtszeit", sagt Grindel und lobt ausdrücklich auch Bewerbungschef Markus Stenger und dessen Team für die "hervorragende Arbeit".

Für ihn sei immer klar gewesen, "dass wir als DFB den engsten Draht zum europäischen Verband und dessen Präsidenten Aleksander Ceferin haben müssen", sagt Grindel, der sich nicht gänzlich aus dem Fußball verabschiedet hat. Als Politberater habe er immer wieder auch Bezüge zu dem Sport, den er einst als Präsident lenkte.

"An Ruhestand ist noch lange nicht zu denken", sagt Grindel. "Arbeiten hat immer zu meinem Leben gehört." Zuletzt auch in ganz anderen Bereichen zu Hause. Während der Corona-Zeit saß Grindel oft mit seinem elfjährigen Sohn am Schreibtisch: "Meine Kenntnisse in Erdkunde, Geschichte und Mathe habe ich ziemlich aufgefrischt. Es ist ein ganz anderes, aber auch ein ganz tolles Leben."

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