06.03.2020 11:41 Uhr

Der Baumgart-Kosmos: Überzeugung als Imperativ

Steffen Baumgart und der SC Paderborn sind in der Bundesliga Unikate
Steffen Baumgart und der SC Paderborn sind in der Bundesliga Unikate

Sprudelnde Emotionen, bedingungsloser Offensivfußball und ein Kurzarmshirt bei jedem Wetter: Steffen Baumgart ist ein Mann der klaren Kante. "Beim Fußball stört mich eine Jacke einfach", sagt der Trainer des SC Paderborn, der allerdings ein effektives Mittel gegen Kälteattacken anwendet: Mit Kommandos und wilden Gesten peitscht er seine Mannschaft 90 Minuten lang nach vorne.

Vollgas gab Baumgart schon als Spieler. Die 100 Meter sprintete er in 11,1 Sekunden, mit dem Ball suchte der Kult-Stürmer von Hansa Rostock und Union Berlin den direkten Weg zum Tor. Sein Markenzeichen war der aufgestellte Trikotkragen - wie bei ManUnited-Ikone Eric Cantona. Für Baumgart war der schillernde Franzose "anders, er hat sich nicht alles gefallen lassen, hat sich auf dem Platz gewehrt."

Eine Attitüde, die sich Baumgart auch von seinen Spielern wünscht. Fußball ist für den 48-Jährigen "in erster Linie ein Kampfsport", sagte er bei "spox.com": "Es geht um Mentalität und Bereitschaft. Es geht um Zweikämpfe. Da musst du dich durchsetzen können. Alle taktischen Geschichten folgen später."

Baumgarts ungewöhnliche Vita

Auf diesen Grundpfeilern fußt das Paderborner Spiel. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten des SC sind geringer als bei so manchem Zweitligisten, der Kader besteht aus Nobodys, die Baumgart schnellstmöglich zu Erstligaspielern entwickeln muss. Der unermüdliche Kai Pröger oder Fan-Liebling Christopher Antwi-Adjej etwa haben vor nicht allzu langer Zeit noch in der Regional- bzw. Oberliga gespielt.

Die Verläufe ihrer Karrieren weisen Parallelen zur Baumgartschen Vita auf. Der Mecklenburger, in der Jugend ein erfolgreicher Ringer, kickte mit 22 Jahren noch eher hobbymäßig bei der SpVg Aurich in Ostfriesland, ehe Frank Pagelsdorf ihn zu Hansa holte und Baumgarts 14-jährige Profikarriere begann.

Zuvor war Baumgart bei der Polizei, er warf aber nach dem Aufnahmelehrgang hin ("war nicht mein Ding"). Danach schloss er eine Ausbildung zum KfZ-Mechaniker erfolgreich ab - auch wenn er heute "niemandem" empfiehlt, "mich an sein Auto ranzulassen".

Im ersten Versuch wurde er beim Fußballlehrer-Lehrgang abgelehnt, beim Berliner AK setzte man ihn 2016 trotz Platz zwei in der Regionalliga Nordost vor die Tür. Sein Glück fand Baumgart in Paderborn. Jenem Standort, an dem Stefan Effenberg grandios scheiterte, aber Roger Schmidt, Jos Luhukay oder Andre Breitenreiter sich für etablierte Erstligisten empfahlen.

"Weniger Komplimente, mehr Punkte"

Baumgart selbst ist in Ostwestfalen quasi sakrosankt, die Fans huldigem ihren Trainer mit Hauptwohnsitz Berlin-Köpenick als "Fußballgott". Nach zwei sensationellen Aufstiegen in Folge erwartet niemand den Klassenerhalt von ihm - außer vielleicht er selbst.

Immer wieder verzweifelt Baumgart an diesen verflixten kleinen Fehlern, die auf Bundesliganiveau entscheidend sind. "Weniger Komplimente, mehr Punkte", wünschte er sich schon allzu oft. Dennoch lebt er seinen Spielern Überzeugung vor und trichtert sie ihnen auch akustisch ein. Wenn die SCP-Kicker zum Warmmachen auf den Rasen in die Benteler-Arena strömen, lässt der Trainer den Rap-Song "Erfolg ist kein Glück" von Kontra K auflegen. Baumgart glaubt ganz fest daran.

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