03.06.2020 12:31 Uhr

Quo vadis, S04: Wer trägt Schuld am Schalker Absturz?

Der FC Schalke 04 befindet sich auf einer Talfahrt
Der FC Schalke 04 befindet sich auf einer Talfahrt

In der Hinrunde noch hui, in der Rückrunde pfui - der FC Schalke 04 ist spätestens seit dem Restart ein einziges Rätsel. Doch wo liegen die Probleme des Ruhrpott-Schwergewichts?

Als Tabellenfünfter feierte der FC Schalke 04 das Weihnachtsfest. Zu jenem Zeitpunkt befanden sich die Knappen mit 30 Zählern sogar auf Augenhöhe mit dem Erzrivalen Borussia Dortmund.

Doch während der BVB zumindest zwischenzeitlich an der Meisterschaft schnuppern konnte, droht den Königsblauen ein ähnlich ernüchterndes Saisonende wie 2019/2020. Wäre der Klub ein Auto, wäre die Mängelliste beim TÜV eine Herausforderung für jeden Werkstattmeister.

Probleme in allen Mannschaftsteilen - und in den Köpfen der Spieler

Schon am 22. Februar fragte der "kicker" auf seiner Titelseite: "Verspielt Schalke jetzt alles?". Da war gerade der 23. Spieltag gespielt, die Knappen verloren zuhause mit 0:5 gegen RB Leipzig. Nur gute drei Monate später kann man festhalten: Das Fachblatt hatte den Schalker Absturz kommen sehen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Schalke bereits den ersten und bislang einzigen Sieg in der Rückrunde geholt, dazu drei Unentschieden. Seitdem kam lediglich ein weiterer Zähler hinzu. Die Punkteausbeute ist eines ambitionierten Klubs, wie es S04 nun mal ist, nicht würdig.

Doch das Auftreten der Mannschaft ist es ebenso nicht. In allen vier Spielen seit dem Restart nach der Corona-Zwangspause liefen die Schützlinge von David Wagner weniger als der Gegner. Waren es im zweiten Halbjahr 2019 noch 116 Kilometer im Schnitt, sind es seit Jahresbeginn nur noch 112,7.

Aber auch die Spielweise lässt Zweifel wachsen. Sowohl beim mehr als glücklichen 0:0 in Düsseldorf als auch bei der enttäuschenden 0:1-Niederlage gegen Werder Bremen kam die Mannschaft auf 33 (!) und 42 Prozent Ballbesitz - gegen die Teams auf den Plätzen 16 und 17, wohlgemerkt.

"Zuletzt hatten wir mit dem offensiven Ansatz eher Probleme", rechtfertigte David Wagner seinen drastisch veränderten Ansatz. Hieße der Trainer Huub Stevens, wäre das Erstaunen nicht vorhanden gewesen. Doch die Worte des Übungsleiters, der große Vorschusslorbeeren genießen durfte, erschreckten und werden laut "kicker" auch mannschaftsintern kritisch gesehen.

Sie offenbaren aber auch: Das Selbstvertrauen und die positive Mentalität, die S04 noch in der Hinrunde auszeichneten, sind komplett abhanden gekommen. Und vergleicht man Wagners Auftreten mit jenem der Kollegen Rösler und Kohfeldt, stellt man fest: Der Trainer wirkt rat- und bisweilen auch emotionslos.

Die Ratlosigkeit drückt sich vor allem in der Torwart-Problematik aus. Ganze vier Mal wechselte Wagner nun zwischen dem Bald-Münchener Alexander Nübel und U21-Nationaltorwart Markus Schubert. Und das, obwohl er sich noch im März auf Letzteren als Nummer 1 bis Saisonende festgelegt hatte. "Alternativlos", wie der 48-Jährige betonte.

Löst ein neuer Keeper das Torwart-Problem?

Vor dem Bremen-Spiel gab es dann die erneute Kehrtwende: Nübel stand wieder zwischen den Pfosten, was unter normalen Umständen, sprich bei Spielen mit Fans im Stadion, womöglich undenkbar gewesen wäre. Sicherheit verlieh der Mannschaft seit Rückrundenstart jedoch keiner der beiden Keeper.

Diese Erkenntnis ist wohl auch intern gereift, sodass laut "Sport Bild" die Suche nach einem neuen, zuverlässigen, Stammtorhüter läuft. Gehandelt werden mit Sven Ulreich und Mark Flekken die derzeitigen zweiten Männer des FC Bayern und des SC Freiburg.

Zumindest bei Ulreich kann man sich sicher sein, dass er definitiv eine Verstärkung darstellen würde. Bleibt die Frage, ob der Ex-Stuttgarter selbst Lust auf eine Anstellung bei S04 hat. So löblich der Ansatz der Problemlösung für die Zukunft ist, in der Gegenwart hilft er nicht.

Nicht nur die aktuelle Saison steht auf dem Spiel

Natürlich wiegt auch der derzeitige Ausfall von Leistungsträgern wie Omar Mascarell, Amine Harit oder nun auch Suat Serdar schwer. Doch das restliche Spielermaterial sollte allemal genügen, um besser dazustehen als gegenwärtig - würde man denken.

Der als Führungsspieler geltende Daniel Caligiuri, dessen Ausfall S04 Anfang Februar schwer traf, ist genauso außer Form wie seine erfahrenen Kollegen Salif Sané (findet ebenso nach Verletzung nicht gut zurück) oder der chronisch torlose Guido Burgstaller.

Laut "Sport Bild" soll der Österreicher deshalb im Sommer auch abgegeben werden. Das passiert beim lediglich ausgeliehenen Michael Gregoritsch, der nicht minder enttäuschte, automatisch. Beide gehören indes zu jenen Spielern, die mitverantwortlich dafür sind, dass sich die Quote bei der Chancenverwertung quasi halbierte (von 29,6 auf 15,6 Prozent).

Zweifellos holte Sportvorstand Jochen Schneider vielversprechende Spieler mit Entwicklungspotenzial. Doch offensichtlich fehlt es der Mannschaft an Persönlichkeit, sprich echten Leadern. Das ging indes auch dem ungeliebten Nachbarn BVB so, doch der behob diesen Mangel im Winter mit der Verpflichtung von Emre Can.

Das kann Schalke bis Saisonende nicht mehr und der laufende Spielbetrieb könnte auch zum Problem für die Zukunft werden. Verpasst man das Minimalziel Europa, wonach es derzeit aussieht, wird nicht nur das Bankkonto weiterhin leer bleiben, sondern der Klub auch als Arbeitgeber unattraktiver als seine Mitbewerber.

Es droht also nicht nur eine zweite enttäuschende Saison in Folge und damit der Absturz ins graue Mittelmaß. Vielmehr könnte sich die Gesamtsituation zu einem Teufelskreis entwickeln, an dem die Knappen noch lange zu knabbern haben könnten. Und wie so oft gilt: Nur einen Schuldigen oder eine Ursache gibt es nicht. Es ist kompliziert.

Luis Holuch

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