14.07.2020 14:25 Uhr

Nico Schulz: Das (selbstgeschaufelte) Millionengrab?

Nico Schulz saß beim BVB in der vergangenen Saison oft auf der Bank
Nico Schulz saß beim BVB in der vergangenen Saison oft auf der Bank

Im Sommer 2019 war Nico Schulz Borussia Dortmund noch 25,5 Millionen Euro wert. Doch der Nationalspieler spielte in der abgelaufenen Saison beim BVB keine wirkliche Rolle. Lag der Revierklub mit der Verpflichtung wirklich derart daneben oder liegen die Gründe woanders? Und wie geht es weiter?

Als Borussia Dortmund im Mai vergangenen Jahres die Verpflichtung von Nico Schulz bekanntgab, hagelte es Glückwünsche für den BVB. Mit dem Linksverteidiger sei eine große Schwachstelle im Kader geschlossen und ein weiterer Mosaikstein einer potenziellen Meistermannschaft gelegt worden.

Schulz wurde bei seiner Ankunft von Sportdirektor Michael Zorc geradezu überschwänglich empfangen: "Genau wie die deutsche Fußball-Nationalmannschaft werden wir von seiner Physis, seinem Tempo und seiner extremen Dynamik sehr profitieren. Ein Spieler wie er mit seinem Kampfgeist und seiner Erfolgsgier tut jeder Mannschaft gut."

Auch er selbst legte die Messlatte sehr hoch und äußerte selbstbewusst: "Ich weiß, was ich kann, ich weiß, warum ich geholt wurde. Und ich wurde nicht geholt, weil ich defensiv nicht spielen kann." Mit dem BVB wolle er "Großes erreichen".

Nun ist die erste Saison für den 27-Jährigen bei den Schwarz-Gelben Geschichte und das Fazit ernüchternd: Schulz war schlichtweg nicht jene Verstärkung, die die Verantwortlichen in ihm gesehen haben. Der gebürtige Berliner entpuppte sich vielmehr als millionenschweres Transfer-Missverständnis. 

Schulz' Misere und Favres Zweifel sorgen für Systemwechsel

Auf der Suche nach Gründen wird man feststellen, dass nicht alles schlecht lief, der Start war vielmehr verheißungsvoll: Zunächst gewann Schulz gleich in seinem ersten Spiel mit dem BVB den Supercup gegen den FC Bayern (2:0). Auch in der ersten DFB-Pokalrunde gegen den KFC Uerdingen und an den ersten beiden Bundesliga-Spieltagen bestritt er die Partien über die volle Distanz.

Beim Gastspiel bei Union Berlin fehlte der Linksfuß dann erstmals in der Startelf und prompt gab es mit dem 1:3 die erste Niederlage für den BVB. Aus der kurzen Schonung wurde dann eine einmonatige Pause, weil er sich beim Länderspiel des DFB-Teams gegen die Niederlande einen Teilriss eines Bandes in der linken Fußwurzel zuzog.

Zeitgleich setzte auch die Misere des BVB ein, denn es folgten drei 2:2-Unentschieden bei Eintracht Frankfurt, gegen Werder Bremen und beim SC Freiburg. Nach dem mehr als schmeichelhaften 3:3 gegen den späteren Absteiger SC Paderborn setzte bei Trainer Lucien Favre ein Umdenken ein und er ließ fortan mit Dreierkette spielen. 

In diesem System schwang sich dann Raphael Guerreiro zum Leistungsträger auf - Nico Schulz war hingegen außen vor. Lediglich am 15. Spieltag beim 4:0 in Mainz, wo er auch sein einziges Saisontor erzielte, und bei der 1:2-Niederlage in Hoffenheim am 17. Spieltag durfte er nochmal über 90 Minuten ran.

Seitdem kamen gerade einmal 29 weitere Spielminuten auf seiner Stempelkarte hinzu – auch aufgrund einer Muskelverletzung, die er sich in der Corona-Pause zugezogen hatte. Doch nicht nur der dadurch fehlende Spielrhythmus und seine wenig überzeugenden Leistungen sind die Kernproblematiken.

Vielmehr geht es wohl auch um die unterschiedliche Wahrnehmung seiner Fähigkeiten. Denn, wie die "Sport Bild" im Februar erfahren haben wollte, sei Favres "von Anfang an" nicht überzeugt gewesen, dass der Linksfuß die erhoffte Verstärkung darstelle. Ganz im Gegensatz zu Kaderplaner Michael Zorc.

Ehe zwischen Schulz und dem BVB schon vor der Scheidung?

Auch von Spielerseite hört man keine Liebeserklärungen. Bereits im Oktober 2019 urteilte Schulz nüchtern über seinen Schweizer Trainer: "Er versucht, immer sachlich zu bleiben und kommt nicht aus der Emotion heraus. Das hat alles seine Vor- und Nachteile."

Auch wenn sein Vertrag noch bis 2024 läuft, gibt es nicht sonderlich viele Argumente, die dafür sprechen, dass die Beziehung derart lange hält. Eine Zweckehe werden beide wohl kaum eingehen wollen, bei einer vorzeitigen Trennung würde zumindest der BVB finanziell aber alles andere als gut wegkommen.

Zwar ist der Markt für Linksverteidiger nicht nur in der Bundesliga eher überschaubar und die Spieler dementsprechend begehrt, in diesem Fall ist der BVB aber in einer schlechten Verhandlungsposition. Das liegt einerseits an Schulz' Auftritten in der abgelaufenen Saison, andererseits an der aktuell schwierigen finanziellen Situation der Klubs im In- und Ausland.

Nicht nur Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge, der Schulz jüngst mit dem Stempel "nicht mehr als ein Backup" versah, weiß: "die Summe, die die Dortmunder für den Transfer an die TSG Hoffenheim überwiesen haben, werden sie bei einem Verkauf aber wohl kaum erzielen können."

Für ein Backup ist zehnfache Nationalspieler jedoch zu teuer. Will der BVB Schulz also wieder abgeben, müsste man Abstriche bei der Ablösesumme machen – sofern es überhaupt potenzielle Interessenten gibt. Sollte es soweit kommen und bei Nico Schulz am Ende tatsächlich ein sattes Transferminus entstehen, wäre das Millionengrab der Dortmunder wohl ein selbstgeschaufeltes.

Luis Holuch

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