07.10.2020 13:52 Uhr

"Hätte mir den nächsten Schritt zugetraut"

Marco Grüll hat sich als Profifußballer etabliert
Marco Grüll hat sich als Profifußballer etabliert

Marco Grüll zählt zu den gefragtesten Jungtalenten in Österreich. Der flexible Offensivspieler der SV Ried arbeitete sich ohne Akademie-Ausbildung von der Regionalliga bis in die Bundesliga hinauf und hat sich dort als wichtige Stammkraft etabliert. Auch wenn es mit einem Last-Minute-Transfer zu Rekordmeister Rapid in dieser Transferperiode nicht geklappt hat, bleibt der U21-Teamspieler fokussiert. Im Interview mit weltfussball spricht der 22-jährige über seinen Karriereweg, das Interesse diverser Topklubs und seine weiteren sportlichen Ziele.

Mit 14 Jahren trainierte der gebürtige Salzburger Marco Grüll bereits bei den Erwachsenen in der Kampfmannschaft mit, mit 15 folgte das Debüt im Salzburger Unterhaus, im August 2015 der erste Regionalliga-Einsatz. Eine Akademie besuchte der ehemalige Post-Mitarbeiter nicht, machte stattdessen neben dem Fußball eine Lehre zum Sportartikelverkäufer und arbeitete sich mit Leistung und viel Fleiß in die Notizbücher der Profiklubs.

Marco Grüll: Durchbruch im Herbst 2019

In der Herbstsaison 2019 gelang ihm mit 19 Toren in 17 Pflichtspielen der endgültige Durchbruch, das Interesse von großen Namen ließ nicht lange auf sich warten. So strebte vor allem Österreichs Rekordmeister Rapid Wien eine Verpflichtung des damaligen Shootingstars der Regionalliga West an. Da er in Hütteldorf zunächst jedoch für Rapids Zweiterteam eingeplant war, entschied er sich mit dem Ausblick, eine Liga weiter oben zu kicken, zu einem Wechsel zur SV Ried.

Eine gute Entscheidung im Nachhinein, mittlerweile ist Grüll nicht nur in der Bundesliga angekommen, sondern ist auch Teil des österreichischen U21-Nationalteams und hat sich zu einem der gefragtesten Jungtalente gemausert. Im weltfussball-Interview spricht der 22-Jährige über seine Anfangsjahre, seinen sportlichen Aufstieg und wie er mit dem Interesse an seiner Person umgeht.

weltfussball: Die SV Ried ist mit drei Punkten aus den ersten vier Spielen in die neue Bundesliga-Saison gestartet. Wie bewertest du den Start nach der Rückkehr in die höchste Spielklasse Österreichs?

Marco Grüll: Der Saisonstart ist mit dem ersten Spiel eigentlich ganz gut gelungen. Dann haben wir mit der Austria und Red Bull doch zwei große Vereine aus Österreich als Gegner gehabt, wobei gegen die Austria wirklich mehr möglich gewesen wäre. Da waren wir einfach nicht gut genug. Gegen Red Bull hat das schon gepasst, wir hatten unsere Chancen, aber da kann man verlieren. Mit etwas Glück hätten wir auch einen Punkt mitnehmen können. Gegen die Admira haben wir gegen einen Klub gespielt, der wie wir gegen den Abstieg kämpfen wird, da hätten wir schon punkten sollen. Das haben wir leider nicht geschafft, wir werden aber jetzt nicht in Panik verfallen und wollen schauen, das in den nächsten Partien wieder besser zu machen.

Für dich verlief der Saisonstart aber recht ordentlich. Von den bisher sechs erzielten Tore der Rieder gehen zwei auf deine Kappe. Es scheint, dir wäre der Umstieg von der 2. Liga in die Bundesliga relativ leicht gefallen. Wie kommt das?

Für mich ist die Bundesliga natürlich Neuland, bei mir hat damals aber auch die Umgewöhnung von der Regionalliga zur 2. Liga gleich funktioniert. Das funktioniert jetzt glücklicherweise wieder relativ gut. Natürlich ist das Niveau jetzt um einiges anspruchsvoller, aber in der U21 spielt man z.B. auch gegen England, wo die Spieler einiges an Klasse mitbringen. Aber an das gewöhnt man sich durch die Erfahrung, das ist ein ganz normaler Prozess.

Gehen wir zurück zu den Anfängen deiner Fußballerkarriere. Du bist ja nie in einer Akademie ausgebildet worden, sondern bist den Weg über Vereine im Salzburger Unterhaus, wie den SC Pfarrwerfen oder TSV St. Johann, gegangen. War das für dich sogar positiv, dass du damals den "steinigeren" Weg beschritten hast, um dich später im Profifußball zu etablieren?

Es hat mir sicher viel gebracht, dass ich mit 14 schon in der Kampfmannschaft mittrainieren konnte. Das war dreimal die Woche und für mich als junger Spieler eine sehr prägende Erfahrung. Vor allem im körperlichen Bereich war das zunächst ein riesiger Unterschied, aber du hast dich gleich mal daran gewöhnt. Natürlich hab' ich dann auch ein Jahr bis ich 15 war gebraucht, um dort auch mithalten zu können. Für meine Entwicklung war das aber sicher nicht schlechter, als wenn ich in eine Akademie gegangen wäre.

Hast du damals mit dem Gedanken gespielt, in eine Akademie zu wechseln? Gab es Interesse von anderen Klubs?

Ja, das war ein Thema, es hat sogar Interesse von mehreren Akademien gegeben, aber für mich war das damals nicht der richtige Schritt. Ich wollte einfach nicht so früh von Zuhause weg und ich hab' mich dann dazu entschlossen, den Weg über die Kampfmannschaft zu gehen. Und ich glaube, der ist auch ganz gut aufgegangen.

Das ist er offensichtlich. In deiner letzten Herbstsaison 2019 beim TSV St. Johann hast du mit 19 Toren in 17 Spielen regelrecht die Regionalliga dominiert. War das für dich damals der Zeitpunkt, wo du selbst gewusst hast, dass der nächste Schritt jetzt folgen muss?

Ich hab' generell schon im Jahr zuvor gesagt, dass, wenn es jetzt nichts wird, es wahrscheinlich sehr schwierig mit der Profikarriere wird. Aber dann ist das Jahr wirklich sehr super gewesen, es hat sich das mit Ried ergeben und ich bin sehr glücklich darüber, dass alles so gut funktioniert hat.

Hat dir das familiäre Umfeld der SV Ried bei der Entscheidungsfindung geholfen? Es war damals ja auch Rapid an dir interessiert.

Wenn ich ehrlich bin, hab' ich daran nicht wirklich gedacht. Die Entscheidung lag zwischen Wien und Ried. Bei Rapid II hätte ich halt wieder in der Regionalliga gespielt, vielleicht hätte der Weg auch funktioniert, aber ich wollte einfach eine Liga nach oben. Ried war damals ein gestandener 2.-Liga-Klub, der Anspruch hatte, aufzusteigen und ich habe dann dort relativ schnell eine gute Rolle in der Mannschaft gespielt, bin mit ihnen aufgestiegen und spiele jetzt in der Bundesliga. Also alles gut gelaufen.

Du hast das Interesse von Rapid angesprochen. Bist du mit dem österreichischen Rekordmeister auch nach deiner Absage in Kontakt geblieben? Am letzten Tag des diesjährigen Sommertransferfensters wurde ja von Sportdirektor Zoran Barišić bestätigt, dass man sich mit dir beschäftigt. Wie konkret waren die Gespräche über einen Wechsel wirklich?

Es war schon ein Thema, die Gespräche waren da, aber es war schwierig für alle Beteiligten. Für Ried wäre es extrem schwierig gewesen, in der kurzen Zeit einen neuen Spieler zu verpflichten. Aber der Kontakt ist noch nicht ganz vorbei, es ist viel möglich im Fußball und solange ich meine Leistung bringe, und das versuche ich zu 100 Prozent, dann werden auch wieder Vereine kommen im Winter beziehungsweise in der Zukunft.

Hättest du dir den Wechsel zu Rapid oder einem anderen Topklub in Österreich jetzt schon zugetraut? Oder willst du dich lieber noch langsam etablieren in der Bundesliga, bevor der Schritt zu einem größeren Verein erfolgt?

Eigentlich beides. In Ried fühle ich mich wohl, es ist ja doch mein erstes Jahr in der Bundesliga, aber natürlich hätte mich das mit Rapid extrem interessiert. Ich bin aber im Kopf zu 100 Prozent auf Ried fokussiert und werde jetzt einfach weiter Gas geben. Ich hätte mir den Schritt zu einem größeren Klub schon zugetraut, wenn man eine solche Chance hat oder in Zukunft nochmal kriegt, dann muss man das eh probieren. Aber ich weiß auch, ich bin erst seit eineinhalb Jahren Profi und dass sich alles so entwickelt hat, ist natürlich top für mich. Rapid ist für einen jungen Spieler sowieso immer interessant.

Wie gehst du als junger Spieler, der noch nicht so lange im Profifußball aktiv ist, mit diesem Interesse von großen Vereinen um?

Natürlich ist das Neuland, wenn man das noch nicht gewohnt ist. Aber du musst dich einfach aufs Fußballspielen konzentrieren, weil wenn deine Leistung unter dem ganzen Drumherum leidet, ist das auch schlecht. Dass mich das direkt verunsichert oder irgendeinen Stress bereitet, das ist nicht der Fall.

Du zeichnest dich als sehr flexibler Offensivspieler aus. Bist auf den Außenbahnen, auf der Zehn oder im Sturm zu finden. Wie siehst du deine Rolle im Team?

Wenn ich ganz ehrlich bin, ist es mir relativ egal, wo ich spiele. Außen lieber links als rechts, aber auch als Zehner oder vorne im Sturm, ich fühle mich auf allen Positionen wohl. Als Achter hab' ich im Notfall auch schon gespielt, ich bin da flexibel. Am schönsten ist es für mich, wenn wir mit zwei Stürmern spielen und ich mich dahinter ein wenig fallen lassen kann. Die Mannschaft hat einfach Vertrauen in mich, deswegen hab' ich in der Offensive auch meine Freiheiten. Ich muss natürlich aber auch defensiv meine Aufgaben machen und weiterhin Leistung zeigen.

Am Freitag steht das wichtige U21-Ländermatch gegen Kosovo an. Auch durch die 1:5-Niederlage gegen Albanien steht man hier schon etwas unter Druck. Wie wichtig wäre es für dich persönlich, sich für die EM zu qualifizieren?

Ich denke eigentlich nicht so viel an die Zukunft. Natürlich ist es von jedem Fußballer mal das Ziel, im A-Team zu spielen, aber mich interessiert momentan nur das Kosovo-Spiel. Das müssen wir gewinnen, weil dann lebt die Chance noch auf die Europameisterschaft. Das ist ein großes Ziel und alles weitere wird dann kommen. Wir haben hier bei der U21 eine super Mannschaft mit guten Einzelspielern, wissen aber, dass wir nur als Team gemeinsam stark sind. Das werden wir gegen Kosovo wieder versuchen zu zeigen und dann ist da sicher etwas möglich.

Max Augustin

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