11.11.2020 11:56 Uhr

Warum Martínez beim FC Bayern ein zweiter Frühling winkt

Beim FC Bayern wieder gefragt: Javi Martínez
Beim FC Bayern wieder gefragt: Javi Martínez

Durch die schwere Verletzung von Joshua Kimmich rückt Altmeister Javi Martínez beim FC Bayern wieder mehr in den Fokus. Hat der Spanier, der längst weg sein wollte, eine echte Chance auf den vakanten Platz im defensiven Mittelfeld?

Am 24. September schien es, als wolle der Fußball wieder einmal seinem Image als Erzähler besonderer Geschichten gerecht werden.

Als es im Endspiel um den UEFA Supercup zwischen Champions-League-Sieger FC Bayern und Europa-League-Gewinner FC Sevilla in der Verlängerung 1:1 stand und vieles auf ein Elfmeterschießen hindeutete, schlug die große Stunde von Javi Martínez.

Nach einem abgewehrten Eckball stand der eingewechselte Defensivmann im Sechzehner goldrichtig und köpfte über den gegnerischen Keeper hinweg zum entscheidenden 2:1 ein.

Gleich zwei Faktoren machten diesen Treffer so speziell: Zum einen hatte der nicht unbedingt als Goalgetter bekannte Mittelfeldmann schon sieben Jahre zuvor im Supercup das Goldene Tor für die Münchner erzielt, zum anderen stand Martínez' Rückkehr zu seinem Heimatverein Athletic Bilbao zu diesem Zeitpunkt übereinstimmenden Medienberichten zufolge unmittelbar bevor.

Entsprechend emotional waren die Reaktionen nach Spielschluss. Auf dem Feld wurde der Matchwinner, dessen Vertrag 2021 ausläuft, von seinen Teamkollegen ausgelassen gefeiert, die Presse überschlug sich tags darauf fast. "Martínez verkitscht seinen Bayern-Abschied", titelte "ntv" treffend.

Doch letztlich kam alles anders.

Enges Rennen um die Secherposition beim FC Bayern

Mitte November 2020 zählt der Routinier immer noch zum Kader des deutschen Rekordmeisters und kommt, ausnahmsweise vom Verletzungspech verschont, überraschend oft zum Einsatz.

Für Bilbao war der Transfer schlussendlich nicht zu stemmen gewesen. Ob Martínez' üppiges Gehalt oder die Ablöseforderung des FC Bayern, die bei knapp zehn Millionen Euro gelegen haben soll, dabei den Ausschlag gaben, ist unklar.

Fakt ist nur: Martínez ist noch da, lief in der jungen Saison bereits in elf Pflichtspielen auf und hofft plötzlich auf den frei gewordenen Platz in der Schaltzentrale des Quadruple-Siegers.

Die Außenmeniskus-Verletzung von Joshua Kimmich, der nach erfolgreicher Operation frühestens 2021 wieder auf dem Rasen stehen wird, hat die Hierarchie beim FC Bayern durcheinandergewirbelt.

Neben Martínez bewerben sich auch Corentin Tolisso, Neuzugang Marc Roca und der extrem vielseitige David Alaba um die Rolle des Sechsers. Gesucht wird ein geeigneter Partner für den gesetzten Leon Goretzka, Trainer Hansi Flick hat die Qual der Wahl.

Javi Martínez beim FC Bayern auch Integrationshelfer

Dass sich Martínez, der in den vergangenen Jahren mehr Zeit in der Reha als auf dem Trainingsplatz verbracht hat, nun durchaus Chancen ausrechnen darf, hätten wohl nur die Wenigsten erwartet.

Doch der 32-Jährige hat Nehmerqualitäten bewiesen und zugleich seinen Ruf als Musterprofi bestätigt. Ausnahmslos jeder Coach, mit dem Martínez beim FC Bayern zusammenarbeitete, hat von der vorbildlichen Einstellung des auch bei den Fans extrem beliebten Spaniers geschwärmt, der als Muster an Zuverlässigkeit gilt.

Auch abseits des Rasens genießt Martínez große Anerkennung. Zuletzt übernahm er den Job des Integrationshelfers bei seinem Landsmann Marc Roca, dessen Eingewöhnung in Deutschland auf diese Weise erleichtert wurde.

"Er ist ein erfahrener Spieler und eine große Hilfe für Marc Roca", bestätigte Flick unlängst. Ob er Martínez' besonderes Standing innerhalb der Mannschaft künftig mit mehr Einsatzzeit belohnt, bleibt freilich offen.

Martínez winkt beim FC Bayern der eine oder andere Startelfeinsatz

Rein sportlich ist Martínez' Stellenwert nicht mehr mit dem seiner Anfangsjahre in München zu vergleichen. Jeder weiß um die Stärken, aber auch um die Schwächen des ehemaligen Nationalspielers.

So stark und robust der 1,92-Meter-Riese im Zweikampf sein mag, so langsam und hüftsteif wirken viele seine Bewegungen. Den genialen Mix eines Joshua Kimmichs, der Galligkeit, Dynamik und Spielstärke nahezu perfekt vereint, bietet Martínez nicht.

Hinzu kommt, dass weiterhin nichts auf eine Verlängerung des Weltmeisters von 2010 hindeutet. Will der FC Bayern seine jüngeren Kräfte fördern, müssten sie eigentlich den Vorzug erhalten.

Dennoch winkt Martínez nach der Länderspielpause der eine oder andere Startelfeinsatz auf der Sechs. Hintergrund: Top-Konkurrent Tolisso ähnelt Goretzka vom Profil her zu sehr. Beide schalten sich so oft es geht mit in die Offensive ein, wodurch gefährliche Lücken vor der Abwehr entstehen könnten.

Herausforderer Roca benötigt derweil noch einige Zeit, um den Bayern-Stil zu verinnerlichen, während Alaba zuvorderst in der Viererkette gebraucht wird.


Mehr dazu: So will der FC Bayern den Kimmich-Ausfall kompensieren


So bleibt final nur die Erkenntnis, dass die Entscheidung des FC Bayern, Javi Martínez im Sommer nicht ziehen zu lassen, keine schlechte war. Als Stabilisator funktioniert der 32-Jährige weiterhin.

Es scheint, als sei diese besondere Geschichte noch immer nicht zu Ende erzählt.

Heiko Lütkehus

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