Das ist Schalkes riskanter Plan mit "Rentner" Gross

Christian Gross wird übereinstimmenden Medienberichten zufolge neuer Trainer des FC Schalke 04 und soll den kriselnden Revierklub vor dem Abstieg retten.
Warum setzt Schalke in der vielleicht größten Krise der Vereinsgeschichte auf Gross und was verspricht man sich von dem 66 Jahre alten Trainer-"Rentner"? Wie lange soll Gross auf Schalke arbeiten und wie viel Geld soll er verdienen? Stellt die Klub-Führung dem neuen Coach für seine Rettungsmission trotz leerer Kassen auch Neuzugänge zur Verfügung? weltfussball beantwortet die wichtigsten Fragen zu der Personalie.
Warum setzt der FC Schalke 04 im Abstiegskampf auf Christian Gross?
Gross und Schalkes Sportvorstand Jochen Schneider kennen sich aus gemeinsamen Tagen beim VfB Stuttgart. Der Schweizer coachte die Schwaben von Dezember 2009 bis Oktober 2010, Schneider arbeitete damals als Sportdirektor für den VfB.
Auf Schalke soll Gross vor allem die extrem schwierige Kabine auf Kurs bringen. Der designierte neue Trainer gilt als Disziplinfanatiker, ja sogar als "harter Hund". Kraft seiner Autorität soll er die Gräben in der Mannschaft zumindest vorübergehend zuschütten und die zahlreichen "Ich-AGs" im Kader auf das gemeinsame Ziel Klassenerhalt einschwören.
Mit diesen Argumenten überzeugte Schneider am Mittwoch bei einer Telefonkonferenz den Schalker Aufsichtsrat "grundsätzlich" von Gross, so "Bild". In den kommenden Stunden seien noch letzte Vertragsdetails zu klären, heißt es. Am ersten oder zweiten Weihnachtstag soll Gross' Engagement dann auch auch offiziell vermeldet werden.
Schneiders Plan klingt zunächst plausibel, ist aber auch extrem riskant: Gross, der im Mai 2020 eigentlich seine Trainer-Karriere für beendet erklärte, hat seit acht Jahren nicht mehr in Europa gearbeitet. Stattdessen coachte er Teams in Saudi-Arabien (Al Ahli) und Ägypten (Zamalek SC).
Seine einzige Station in der Bundesliga beim VfB verlief zudem durchwachsen: Zunächst machte er aus einem Abstiegskandidaten in kürzester Zeit einen Europa-League-Teilnehmer, um dann genauso schnell wieder wegen Erfolglosigkeit entlassen zu werden.
Wie lange soll Christian Gross beim FC Schalke 04 arbeiten? Wie viel Geld soll er verdienen?
Große finanzielle Sprünge konnte Schalke bei der Suche nach einem neuen Trainer nicht machen. Die ohnehin hohen Verbindlichkeiten sind durch die sportliche Talfahrt der jüngeren Vergangenheit weiter angewachsen. Die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie tun ihr Übriges.
So muss davon ausgegangen werden, dass auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für eine Gross-Verpflichtung (und womöglich gegen einen größeren Namen?) sprechen.
Der Ex-Profi, der zu Beginn der 1980er-Jahre auch einmal eine Saison für Schalkes Revier-Nachbarn VfL Bochum spielte, kassiert dem Vernehmen nach ein relativ geringes Grundgehalt. Für Schalke ist das wichtig, denn mit den inzwischen geschassten David Wagner und Manuel Baum stehen ohnehin noch zwei Coaches auf der Payroll.
Gelingt Gross trotz der prekären Lage des Bundesliga-Schlusslichts die Rettung, soll er jedoch richtig abkassieren: Dann sei eine siebenstellige Nichtabstiegsprämie fällig, heißt es.
Klar ist, dass er (zumindest vorerst) lediglich als "Feuerwehrmann" auf Schalke eingeplant ist. Gross' Vertrag soll nur bis Saisonende laufen. Darüber hinaus kann am Berger Feld aktuell aufgrund der unklaren Ligenzugehörigkeit ab dem Sommer sowieso niemand seriös planen.
Stellt der FC Schalke 04 seinem neuen Trainer auch Neuzugänge zur Verfügung?
Laut "WAZ" sei es "gut möglich", dass die Verpflichtung neuer Spieler eine Bedingung für Gross' Zusage an Schalke war.
Eigentlich drückt der Schuh im völlig unzureichend zusammengestellten Kader überall. Doch im Offensivbereich sind die Schalker Sorgen besonders groß: Goncalo Paciencia fehlt nach seiner Knie-OP noch auf unbestimmte Zeit, Mark Uth wurde zuletzt von seiner Gehirnerschütterung aus dem Augsburg-Spiel ausgebremst. Mit Vedad Ibisevic fällt zudem eine weitere Sturm-Option weg. Der Vertrag mit dem im Sommer ablösefrei geholten Routinier wurde zum 31. Dezember 2020 aufgelöst.
Neuestes Sorgenkind ist Salif Sané: Den senegalesischen Innenverteidiger plagen erneut Knie-Probleme. Auch er könnte zumindest beim Jahresauftakt gegen Hertha BSC (2. Januar) fehlen.
Fraglich ist, woher Schalke das Geld für neue Spieler nehmen soll. "Sport Bild" berichtete zuletzt, dass sogar für Leihen eigentlich kein Budget vorhanden sei.
Ein möglicher Winter-Wechsel von Ozan Kabak könnte den Spielraum deutlich erweitern. Das türkische Abwehr-Talent wird Gerüchten zufolge von Top-Klubs wie AC Milan und FC Liverpool umworben. Sein Marktwert wird auf rund 25 Millionen Euro taxiert.
Kabak ist auf Schalke zwar unumstrittene Stammkraft. Seine Leistungen in den letzten Wochen und Monaten waren jedoch genauso schwach wie die der meisten Teamkollegen.
Tobias Knoop