24.09.2015 09:45 Uhr

Absage des "Deutschen" schockt Brasilien

Rafinha identifiziert sich mit den deutschen Werten
Rafinha identifiziert sich mit den deutschen Werten

Dass Spieler sich gegen die Seleção entscheiden, kommt vor. Bis zum Fall Diego Costa interessierte das in Brasilien nur meist niemanden. Nun schlägt Rafinhas Absagen hohe Wellen. Die Südamerika-Kolumne.

Dass Cristian Cordeiro sich 2006 entschied, für die Nationalmannschaft Hongkongs aufzulaufen, interessierte in der brasilianischen Heimat niemanden. Auch Marcone Amarals Auftritte für Katar sind in Brasilien niemanden übel aufgestoßen wie auch nicht, dass 2003 Coach Toninho Dumas gleich sechs Landsleute für die togolesische Auswahl abwerben konnte.

Brasilien hat seit jeher genug Spielermaterial, um diverse Seleções auszustatten.

Über 90 Brasilianer für andere Nationalmannschaften

Paulo Rink und Cacau - wer? Noch nie gehört in Brasilien. Selbst Deco und Pepe hatte zu Hause zunächst keiner auf dem Radar, hatten sie doch nicht einmal in Brasiliens Série A gespielt, bevor sie nach Europa wechselten. "Sollen sie doch für Portugal…", dachte man sich und selbst in Brasilien musste man bis zur Rückkehr Decos so manchen Fußballfan darauf aufmerksam machen, dass dieser zweifache Champions-League-Sieger durchaus auch das Mittelfeld der gelben Nationalmannschaft hätte bereichern können. Hätte.

Seit sich José Altafini 1961 als amtierender brasilianischer Weltmeister dafür entschied, für die italienische Auswahl aufzulaufen, sind in 34 fremden Ländern über 90 gebürtige Brasilianer in Nationalmannschaften nominiert worden. Aber es dauert bis 2013, als wenige Monate vor der Weltmeisterschaft das Thema der Fahnenflucht erstmals die breite brasilianische Fußballöffentlichkeit tangierte.

Diego Costa enttäuschte Millionen Brasilianer

Wobei die Rede von Fahnenflucht ungerecht ist. Bis auf Altafini gab es wohl keinen Spieler, der zum Zeitpunkt seiner Exil-Nominierung auch nur annähernd interessant für Brasiliens Seleção gewesen wäre.

Bis zum 29. Oktober 2013. Da erklärte der in Diensten von Atlético Madrid stehende Diego Costa, dass er nicht für sein Geburtsland, sondern für die Nationalelf Spaniens auflaufen wolle. Dabei war er wenige Monate zuvor in wichtigen Testspielen der Brasilianer gegen Italien und Russland zweimal eingewechselt worden.

Aber der "Zyklop" war enttäuscht von der geringen Wertschätzung seitens seiner Landsleute: "Scolari hat mich nie angerufen", beklagte er. "Del Bosque hingegen schon", schlug er sich damals auf die Seite seiner neuen Heimat, die ihm im Fußball "alles gegeben" hatte. Brasiliens Trainer Scolari sprach damals die Enttäuschung einer ganzen Nation aus: "Er zeigt dem Traum von Millionen Menschen die kalte Schulter", so "Felipão".

Diego Costas Position bekleidete ein gewisser Fred, Spanien (mit Diego Costa) wie auch Brasilien (ohne Diego Costa) schieden bei der WM in Brasilien traumatisch dramatisch aus. Es schien unvorstellbar, dass sich nach so kurzer Zeit schon wieder ein Spieler einer europäischen Topmannschaft gegen das Trikot der brasilianischen Auswahl entscheiden sollte.

Rafinha lehnt Nominierung ab

Bis am Dienstag Marcio Rafael Ferreira de Souza alias Rafinha in einem offiziellen Schreiben an den brasilianischen Fußballverband CBF die Nominierung von Trainer Carlos Dunga für die ersten beiden WM-Qualifikationsspiele Anfang Oktober ablehnte. Ein mittelschweres 1:7 brach über Brasilien herein, auch wenn hier ebenfalls der ein oder andere Brasilianer zugeben muss, dass er Rechtsaußen Rafinha erst bei seinem Wechsel zu Bayern München kennenlernte.

Rafinha, der die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt hat, möchte sich scheinbar die Option offen halten, für die DFB-Elf aufzulaufen. Im Gegensatz zu Diego Costa argumentiert er dabei sachlich: "Ich werde nicht regelmäßig nominiert. Ich bin nicht erste Wahl und es gibt einige auf meiner Position, die vor mir stehen." Was seitens des CBF hingenommen wurde, sorgte für einen Aufschrei in den brasilianischen Medien.

Wird Rafinhas Olympiateilnahme zum Verhängnis?

Denn die hatten schnell herausgefunden, dass Rafinha womöglich gar nicht für Deutschland spielberechtigt sei. Schließlich besagt das Reglement des Weltfußballverbandes, dass ein Spieler, der bereits für einen FIFA-Wettbewerb der Kategorie "A" für eine Nationalmannschaft aufgelaufen ist, nicht mehr für eine andere Auswahl spielen darf. Ist dies bei Rafinha der Fall? Nein. Er spielte wie Diego Costa lediglich zwei Freundschaftsspiele.

Aber! "Aber" johlte es dieser Tage durch Brasiliens Blätterwald. Es gibt eine Zusatzregel die besagt, dass wenn ein Spieler an einem offiziellen Wettbewerb teilnimmt und zu diesem Zeitpunkt noch nicht die zweite Nationalität besitzt, er für keine andere Nationalmannschaft spielen darf. Und unser Rafinha ist 2008 für Brasilien bei den Olympischen Spielen aufgelaufen und hatte damals noch keine deutsche Staatsbürgerschaft.

Der Präzedenzfall wurde gleich mitgeliefert. Der Brasilianer Fernando (Manchester City) hatte sich nämlich vor einem Jahr entschieden, für Portugal anzutreten. Bis die FIFA darauf aufmerksam machte, dass Fernando zwar in keinem Pflichtspiel für Brasilien gespielt hatte, aber für die U20 aktiv war und zu diesem Zeitpunkt noch keine portugiesischer Staatsbürger war. Aus der Traum? Maß drüber.

Mehr dazu:
>> Rafinha tritt aus Seleção zurück
>> Rafinha: Staatsbürgerschaft nicht für DFB-Elf

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Für weltfussball berichtet aus Südamerika: Viktor Coco

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