13.10.2014 16:12 Uhr

Koller: "Haben unsere Stärken umgesetzt"

Das österreichische Nationalteam trägt die Handschrift Marcel Kollers und begeistert mit temporeichem Offensivspiel
Das österreichische Nationalteam trägt die Handschrift Marcel Kollers und begeistert mit temporeichem Offensivspiel

ÖFB-Teamchef Marcel Koller zog am Tag nach dem 1:0 in der EM-Qualifikation über Montenegro fast ausschließlich zufrieden Bilanz über eine "hervorragende Partie". Nur Abschlussschwäche und Hektik trübten das Gesamtbild.

Trotz der früheren Anpfiffzeit war die Nacht eine kurze für Marcel Koller. Der Teamchef wirkte nach der intensiven Woche mit der maximalen Ausbeute von sechs Punkten aus zwei Spielen gelöst. Siege, vor allem durch dominante Auftritte errungene, sorgen nicht nur für die sprichwörtliche breite Brust, sondern auch für Lockerheit.

Erst 17 Minuten Filmmaterial vom 1:0 gegen Montenegro habe er sichten können, gestand Koller. "Es hat gut ausgesehen, was die Jungs auf den Platz gebracht haben. Sie haben durchgezogen, was wir uns vorgenommen haben", so das erste Verdikt der Nachanalyse. Das österreichische Nationalteam hat den Gegner früh gestört und hatte schon in der Anfangsphase gute Möglichkeiten auf die Führung.

Insgesamt sei es ein "hervorragendes Spiel" gewesen. "Wir haben unsere Stärken umgesetzt. Defensiv standen wir kompakt, ließen nicht viel zu. Sie haben nicht viel Zeit bekommen ihre Kombinationen aufzuziehen, denn sie können ja Fußballspielen, wenn man sie lässt", sagte Koller. "In der Offensive haben die vielen schönen Spielzüge sehr gut ausgesehen."

Nach zweieinhalb Jahren hat die Mannschaft das System Koller schon weitgehend verinnerlicht: "Ich wollte schon eine Spielweise reinbringen, die auf meinem Mist gewachsen ist." Der Schweizer umriss seine Vorstellung einmal mehr: "Wir wollen vertikal spielen und laufen. Das ist nicht immer möglich. Daher muss man auch mal Läufe unternehmen, die umsonst ist. Wege werden nicht immer belohnt im Einzelnen, aber im Gesamten, wenn sich Räume öffnen."

Abschlussschwäche machte das Spiel erst spannend

Die "Erlösung" in Form eines zweiten oder gar dritten Tores wurden sowohl Koller an der Seitenlinie als auch den 44.200 Zuschauern im Stadion vorenthalten. Montenegro kam somit durch Mirko Vucinic in die Nähe des Ausgleichstreffers. Wie knapp es wirklich war erkannte der Teamchef erst anhand der TV-Bilder. "Das war eine Weltklasse-Parade von Robert Almer und matchentscheidend für uns." Somit blieb es Schiedsrichter Bas Nijhuis vorbehalten, für den kathartischen Moment zu sorgen – Schlusspfiff.

Die Sache mit der Chancenverwertung lässt Koller nicht los. Alleine lösen kann er das Problem nicht. "Beim Team ist das schwierig. Dazu braucht es tägliche Arbeit, um konstant auf ein höheres Level zu kommen", so die durch die Blume formulierte Hausaufgabe an die Teamkicker bis zur nächsten Zusammenkunft. Immerhin, so die Bilanz der "Week of Football" im Oktober, haben gleich zwei verschiedene Stürmer getroffen. Rubin Okoties Tor gegen Montenegro war in dieser EM-Qualifikation erfreulicherweise auch das erste aus dem Spiel heraus. "Mehr Konkurrenz ist immer gut", freute sich Koller, der am 23. Oktober erfährt, wie hoch die Sperre für Rot-Sünder Marc Janko ausfällt.

Österreich braucht mehr Ruhe

Eine Eigenschaft, die das Team noch lernen muss, ist Abgeklärtheit. "Wir sind da noch zu sehr im Eifer und Spielfluss drinnen, so dass zwischendurch etwas mehr Ruhe wichtig wäre". Gerade in der Schlussphase agierten Kollers Schützlinge hektisch. "Da musst du den Ball noch mehr zirkulieren lassen, auch mal zur Ecke gehen, Einwürfe herausholen", so Koller. Der Gegner dürfe nicht in Ballbesitz kommen und wieder erstarken.

Auch das wird das Team noch lernen, zumal die Fortschritte klar sichtbar sind und einzelne Spieler kritische Worte ihres Trainers durchaus schon beherzigt haben. Etwa bei Marko Arnautovic fielen sie auf fruchtbaren Boden. Der Stoke-Legionär lieferte eine starke Leistung. "Er hat gemeckert, dass er zu wenige Bälle bekommt. Ich habe ihm gesagt, dass er mehr laufen und sich anbieten muss."

Weniger ist mehr

Den Tatendrang von Julian Baumgartlinger muss Koller hingegen bremsen. "Er ist eine Maschine und will bei jedem Ball, bei jedem Zweikampf dabei sein. Das ist nicht immer gut". Er muss ruhiger werden und mehr mit dem Auge spielen. "Weniger laufen im positiven Sinn", subsumierte Marcel Koller.

Von Lukas Hinterseers Nehmerqualitäten war Österreichs Teamchef beeindruckt, zumal sich nach Schlusspfiff herausstellte, dass er kurz nach der Einwechslung offenbar eine Gehirnerschütterung erlitten hatte. "Er wusste nichts mehr von seiner Torchance", erzählte Koller.

Genugtuung, dass ausgerechnet Spieler, denen er trotz öffentlichem Gegenwind die Treue hielt, gegen Montenegro auftrumpften, verspürt Marcel Koller nur innerlich: "Ich weiß, was ich tue. Aber ich protze jetzt nicht rum, dass ich es supergut finde oder eine Bestätigung brauche." Grundsätzlich soll das Festhalten an der geformten Mannschaft Vertrauen geben, wenn es einmal nicht so läuft oder eine Verletzungspause zu überstehen ist. Hier prägte wohl auch der Spieler Koller den späteren Trainer.

Tabellenführung ein Zwischenschritt

Dem knappen Ergebnis war trotz allem auch Positives abzugewinnen. "Mit dem 1:0 bleibt man am Boden", hoffte Koller auf das Ausbleiben übertriebener Euphorie. "Die Tabelle sieht hervorragend aus, ist aber nur ein Zwischenschritt." Am Ende soll freilich die Teilnahme an der EM 2016 in Frankreich stehen.

Sie ist nicht unrealistisch, zumal die Gruppengegner bisweilen alle andere als souverän auftraten. Weltfussball wollte von Marcel Koller wissen, wie sehr ihn ein möglicher Selbstzerfleischungsprozess bei den Rivalen nach den jüngsten Ergebnissen interessiere. "Man kann es nicht beeinflussen. Es kann sein, dass man es am Platz merkt, wenn es beim Gegner nicht rund läuft, aber ich will das nicht reinbringen", erklärte der Teamchef, der seine Spieler nicht zu Lockerheit verleiten will. "Wir dürfen nicht links und rechts schauen. Ob die Russen unzufrieden sind, oder weiß der Kuckuck was, darf uns nicht von unserem Weg abbringen."

Dieser wird sich in knapp einem Monat ohnehin mit dem Russlands kreuzen. Es wird ein Gipfeltreffen mit dem ersten Verfolger. "Wir machen keine Hochrechnungen. Ein bisschen können wir genießen und dann müssen wir uns auf Russland vorbereiten. Wir müssen das sehr bewusst angehen. Es ist ein Heimspiel und wir versuchen die drei Punkte zu holen."

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Sebastian Kelterer

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