21.04.2016 11:15 Uhr

Frankreich als Gastgeber eine Grande Nation

Frankreich hofft nach EM-Sieg 1984 und WM-Titel 1998 auf Hattrick
Frankreich hofft nach EM-Sieg 1984 und WM-Titel 1998 auf Hattrick

Mit Heimvorteil ist Frankreichs Nationalteam wahrlich eine Grande Nation. Zweimal hat Frankreich in den vergangenen 50 Jahren ein großes Turnier veranstaltet und zweimal den Titel geholt: 1984 triumphierte die Équipe Tricolore um Michel Platini erstmals bei einer Europameisterschaft, 1998 führte Zinedine Zidane die Franzosen erstmals zum WM-Titel. Heuer soll der Hattrick folgen.

Frankreich war in den Anfängen von Welt- und Europameisterschaften je einmal Gastgeber des Endrunden-Turniers. Bei der WM 1938 scheitern die Franzosen im Viertelfinale. Beim ersten, mit nur vier Mannschaften ausgetragenen EM-Turnier 1960 mussten sich die Heimischen nach zwei Niederlagen mit dem vierten und letzten Platz abfinden.

Seither aber konnten die Franzosen stets auf den Heimvorteil bauen - und bilden damit eine Ausnahme. Bei Europameisterschaften hat bisher nur dreimal (Spanien 1964, Italien 1968, Frankreich 1984) das Team der Veranstalter gewonnen. Bei Weltmeisterschaften ist das seit Argentinien 1978 auch nur Frankreich 1998 gelungen.

Champagner-Fußball

1984 hielt die Begeisterung Einzug in die französischen Stadien. Mit fast 40.000 Zuschauern im Schnitt wurde ein damaliger Rekord aufgestellt, zudem verzückten Les Bleus nicht nur die französischen Fans mit offensivem Champagner-Fußball. Prunkstück in der Elf von Teamchef Michel Hidalgo war das Mittelfeld mit dem "Goldenen Dreieck" Alain Giresse, Jean Tigana und dem herausragenden Platini.

Platini wurde Volksheld

Der Kapitän war in der Form seines Lebens und drückte dem Turnier den Stempel auf wie kein anderer Spieler davor und danach: Platini, damals 29 und Spielmacher von Juventus Turin, erzielte neun Tore und hält noch immer - mit Abstand - diesen Tor-Rekord bei einer EM.

Nach u.a. drei Treffern beim 5:0 über Belgien und einem Hattrick beim 3:2 gegen Jugoslawien ebnete Platini den Franzosen auch im Finale den Weg zum ersten großen Titel. Beim 2:0-Erfolg über Spanien am 27. Juni im Pariser Prinzenpark sorgte er mit seinem Freistoßtor in der 57. Minute für die vorentscheidende 1:0-Führung. Bruno Bellone besiegelte in der Schlussminute den Triumph.

Platini, Sohn italienischer Einwanderer, stieg zum Volkshelden auf und wurde danach zu Europas Fußballer des Jahres und zu Frankreichs Sportler des Jahres gewählt. "Es war der erste große Titel einer französischen Mannschaft, daher war das ein großer Moment für den französischen Sport", sagte Platini später.

Vom Balljungen zum Ballzauberer

Als Balljunge dabei war damals ein zwölfjähriger Sohn algerischer Einwanderer, der seinem Idol nahe sein durfte - und später sowohl bei Juventus Turin als auch im französischen Team dessen Nachfolger als genialer Ballzauberer wurde: Zidane, der Frankreich 1998 zum größten Triumph in der Sportgeschichte des Landes führte.

Das Team von Aime Jacquet gewann bei der WM, die erstmals mit 32 Mannschaften gespielt wurde, in der Gruppenphase alle drei Spiele, mühte sich aber durch die K.o.-Phase. Im Achtelfinale gegen Paraguay (1:0 n.V.) rettete die Gastgeber das erste "Golden Goal" der WM-Geschichte durch Kapitän Laurent Blanc, im Viertelfinale gegen Italien das Elfmeterschießen. Im Halbfinale gab es dank eines Doppelpacks von Verteidiger Liliam Thuram ein 2:1 gegen Kroatien.

Zidane war die prägende Figur des Turniers, obwohl der Spielmacher zwei Spiele wegen einer Rotsperre nach einer Unbeherrschtheit gegen Saudi-Arabien verpasste. Zum Helden wurde er schließlich im Finale am 12. Juli. Vor 80.000 Zuschauer im Stade de France entschied er die Partie gegen Brasilien (3:0) schon vor der Pause mit zwei Kopfball-Toren (27., 45.), für den Schlusspunkt sorgte Emmanuel Petit (93.).

Rätsel um Ronaldo

Vor dem Endspiel hatte Rätselraten um die Fitness von Ronaldo die Schlagzeilen bestimmt. Brasiliens Stürmerstar spielte trotz einer Knieverletzung, war aber nur ein Schatten seiner selbst.

Der französische Nationalfeiertag (14. Juli) wurde danach quasi schon zwei Tage davor gefeiert, allein auf der Prachtstraße Champs-Elysees jubelten um Mitternacht eine Million Franzosen. Die Équipe Tricolore mit all ihren Einwandererkindern und dunkelhäutigen Stars wie Zidane, Thuram, Marcel Desailly oder Jungstürmer Thierry Henry einte die Nation hinter sich.

Trotz des Ballvirtuosen Zidane spielte Frankreich nicht den Zauberfußball der Europameister von 1984, überstand das Turnier aber ohne Niederlage. Denn die Franzosen konnten sich auf eine der besten Abwehrketten der Geschichte verlassen. Thuram, Abwehrchef Blanc, Desailly und Bixente Lizarazu leisteten vor Torhüter Fabien Barthez ganze Arbeit. Im Turnierverlauf ließen die Franzosen nur zwei Gegentreffer zu. Barthez wurde dafür von Blanc stets mit einem Kuss auf die Glatze "belohnt".

Chef war Deschamps

Zidane war in der 98er-Mannschaft für die magischen Momente zuständig, Chef am Platz war aber ein anderer: Kapitän Didier Deschamps hielt Zidane im defensiven Mittelfeld den Rücken frei und war Garant für Sicherheit und Stabilität. Nun soll Deschamps als Teamchef dafür sorgen, dass Frankreich beim EM-Finale am 10. Juli den Hattrick bei Heimturnieren schafft. So geniale Stars wie Platini oder Zidane hat der seit 2012 amtierende Deschamps aber nicht zur Verfügung.

Platini, der Protagonist von 1984, war auch 1998 maßgeblich an der sportlich und organisatorisch erfolgreichen WM beteiligt, damals als federführender Vize-Präsident des Organisationskomitees. Die EURO 2016 hätte zum dritten Mal seine große Heim-Bühne werden sollen, diesmal als UEFA-Präsident oder gar Chef des Weltverbandes FIFA. Doch Platini stolperte über dubiose Zahlungen der FIFA und wurde von deren Ethikkommission für alle Fußball-Aktivitäten gesperrt.
>> FIFA-Skandal: CAS hört Platini an

Mehr dazu:
>> Frankreichs vorläufiger EM-Kader am 12. Mai

apa

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