01.10.2013 13:18 Uhr

Sieben Watschen für die "Alte Dame"

Noch im August 1958 war John Charles ein gefeierter Mann - im Oktober ging er dann baden
Noch im August 1958 war John Charles ein gefeierter Mann - im Oktober ging er dann baden

Das 0:7-Debakel von Juventus vom 1. Oktober 1958 beim Wiener Sportclub ist nach wie vor die höchste Niederlage einer italienischen Mannschaft in der Geschichte des Europacups. Grund genug für weltfussball zu einem Rückblick auf eine legendäre Partie.

Freistoß kurz vor dem gegnerischen Strafraum für den Wiener Sportclub. Es ist die 24. Spielminute des Europacup-Rückspiels gegen Juve. Der erst 18-jährige Karl Skerlan schnappt sich den Ball. Der Stürmer schaut, nimmt Anlauf und dreht den Ball über die Mauer der Italiener ins Tor.

Ungläubiger Jubel bricht los auf den Rängen des Praterstadions. Das Skerlan-Traumtor sollte der Auftakt sein zu einem der triumphalsten Abende der österreichischen Fußballgeschichte – und einer historischen Klatsche für die "Alte Dame".
>> Die legendäre Partie mit Spieldetails

David gegen Goliath

Die war als haushoher Favorit in das Erstrunden-Duell im Europapokal der Landesmeister mit dem WSC gegangen. Die Turiner hatten sich im Sommer zuvor mit großem Vorsprung ihren zehnten Scudetto gesichert und galten als eines der besten Teams Europas zu dieser Zeit.

Besonders die Offensivabteilung um Giampiero Boniperti, John Charles und Omar Sivori, der die Wiener beim 3:1-Sieg im Hinspiel von Turin mit drei Treffern fast im Alleingang abgefertigt hatte, war gefürchtet.

Fast aussichtslos erschien die Situation vor der zweiten Begegnung mit Juventus also für den Sportclub, obwohl er unter Trainer Hans Pesser in der Vorsaison souverän zur österreichischen Meisterschaft marschiert war. Der Coach verlegte die Spielbesprechung vor dem Rückspiel kurzfristig ins Lusthaus, ein bekanntes Wiener Restaurant - normalerweise nicht gerade ein geeigneter Ort für eine erfolgsversprechende Vorbereitung auf ein Europacupspiel.

Eisenhart und brandgefährlich

Doch die ungewöhnliche Einstimmung beflügelte den Underdog offensichtlich. Mit der Führung durch Skerlan im Rücken schoss Josef "Pepi" Hamerl mit einem Doppelschlag nach einer guten halben Stunde den 3:0-Pausenstand heraus und brach mit zwei weiteren Treffern nach dem Seitenwechsel endgültig den Willen der Italiener.

"Ihre Pässe kamen nicht an, Spieler stolperten über ihre eigenen Füße und die Kombinationen klappten nicht", erinnert sich der Wiener Flügelstürmer Walter Horak später. In der Schlussphase machte Erich Hof mit zwei weiteren Toren den sensationellen Endstand perfekt.
>> Die Highlights der Partie im Video

Angesichts der Vorführung durch den Außenseiter hatten die Stars aus der Serie A ihre Nerven nicht im Griff. "Einige Italiener spielten richtig hässlich. Besonders Sivori und Rino Ferrario waren auf Ärger aus", so Horak. Doch die Wiener hielten dagegen und kämpften defensiv mit harten Bandagen.

"Das war das schrecklichste Spiel meiner Karriere", jammert Juves walisischer Angreifer Charles in seiner Autobiografie. "Die österreichischen Abwehrspieler gingen so hart rein, dass die Ärzte in Turin danach überlegten, mir die Beine zu amputieren."

Ein Ruhm von kurzer Dauer

Äußerst schmerzhaft war dann auch der Absturz des Sportclubs nach diesem größten Spiel der Vereinsgeschichte. Zwar setzte sich das Team im Anschluss an das Weiterkommen gegen Juve auch im Achtelfinal-Duell mit Dukla Praha durch, doch in der Runde der letzten Acht war Real Madrid dann eine Nummer zu groß für die Pesser-Elf.

Nach einem letzten Meistertitel im Jahr 1959 und dem Auseinanderbrechen seiner Jahrhundertelf ging es mit dem Sportclub stetig bergab. Die Fußballabteilung wurde 2001 unter dem Namen "Wiener Sportklub" vom Gesamtverein abgespalten und kickt aktuell in der drittklassigen Regionalliga Ost.

Juve dagegen hat sich bekanntlich gut von der Rekord-Niederlage erholt und ist auch heute noch in Europas Königsklasse unterwegs.

Mehr dazu:
>> Die Champions-League-Partie am Mittwoch im Live-Ticker

red

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