15.02.2021 10:57 Uhr

Zadrazil: "Hätte nicht besser laufen können"

Sarah Zadrazil hat sich beim FC Bayern München als Stammkraft etabliert
Sarah Zadrazil hat sich beim FC Bayern München als Stammkraft etabliert

13 Siege in 13 Bundesligaspielen, souveräner Tabellenführer und aktuell Stammspielerin - für Sarah Zadrazil läuft es bei ihrem neuen Klub Bayern München! Nach vier Jahren bei Turbine Pottsdam wagte Österreichs Fußballerin des Jahres 2018 den Schritt nach München und darf nun zurecht vom Bundesliga-Titel träumen. Im Gespräch mit weltfussball äußert sich die 76-fache ÖFB-Nationalspielerin zur aktuellen Hochform ihres Klubs, wie sie ihre Auslandserfahrungen in Amerika geprägt haben und warum sie gerne eine Vorreiterinnenrolle einnimmt.

>> Die Vereinsstatistik von Sarah Zadrazil in der weltfussball-Datenbank

Sarah Zadrazil zählt zu den Aushängeschildern des österreichischen Frauen-Fußballs, ist mehrfache Nationalspielerin und Stammspielerin bei einem Topklub in der deutschen Frauen-Bundesliga. Mit 19 Jahren über den großen Teich, sammelte sie während ihres Stipendium-Aufenthalts in den USA wichtige sportliche Erfahrungen und kommt danach über die Station Bergheim in ihrem Heimatbundesland Salzburg nach Deutschland zur Traditions-Frauenfußballmannschaft Turbine Potsdam.

Stammkraft im Nationalteam und im Klub

Dort brachte sie es in vier Jahren auf 80 Pflichtspieleinsätze und mauserte sich bis zur Mannschaftskapitänin. Zwischenzeitlich avancierte sie gemeinsam mit ihren Kolleginnen des österreichischen Frauen-Nationalteams bei der Europameisterschaft 2017 in den Niederlanden zu den sportlichen Heldinnen des Landes, als man als Underdog gehandelt sensationell bis ins Semifinale einziehen konnte.

Sarah Zadrazil war unter dem damaligen ÖFB-Teamchef Dominik Thalhammer eine wichtige Stütze im Team und wurde für ihre konstant guten Leistungen im Jahr 2018 als erste "österreichische Fußballerin des Jahres" ausgezeichnet.

Nach prägenden und erfolgreichen Jahren im Nordosten Deutschlands wagte die 27-Jährige im vergangenen Sommer den Schritt nach München zum FC Bayern, mit dem sie seitdem einen Sieg nach dem anderen einfährt. Im Gespräch mit weltfussball äußert sich die gebürtige Salzburgerin zur aktuellen Hochform ihres Klubs, was sich seit dem EM-Hype in Österreich getan hat und wie sie eine Vorreiterinnenrolle einnehmen möchte.

weltfussball: In 13 Bundesligaspielen 13 Siege, 47 erzielte Tore, erst zwei Gegentore und fünf Punkte vor Serienmeister Wolfsburg. Es läuft für dich und deinen neuen Klub Bayern München. Du scheinst mit deinem Wechsel im Sommer alles richtig gemacht zu haben. Wie fällt dein bisheriges Fazit aus?

Sarah Zadrazil: Es hätte echt nicht besser laufen können bis jetzt, was die Mannschaftsleitung und Tabellenposition betrifft. Ich persönlich bin megaglücklich, dass ich den Schritt nach München gemacht habe, weil es doch noch einmal ein Schritt nach oben war im Vergleich zu Potsdam. Es ist einfach einer der Topvereine in Europa. Ich glaube, wir stehen zurecht dort, wo wir aktuell stehen, weil in der Hinrunde sehr viel richtig gelaufen ist, wir als Team extrem gut agiert haben, wir füreinander am Platz stehen und das merkt man in jedem Spiel. Es macht einfach Megaspaß, Teil davon zu sein.

Seit 2016 wartet der FC Bayern auf den nächsten Meistertitel in der Frauen-Bundesliga. In den letzten Jahren wart ihr immer der erste Verfolger des VfL Wolfsburg. Den habt ihr in dieser Saison bereits mit 4:1 deutlich geschlagen. Welche Gründe sprechen dafür, dass ihr heuer den Spieß umdreht?

Ich glaube, es ist dieser Teamspirit, der uns in diesem Jahr extrem auszeichnet. Wir haben einen sehr ausgeglichenen Kader, kämpfen am Platz füreinander und sind speziell defensiv sehr stabil. Die zwei Gegentore sprechen da für sich. Das fängt bereits im Sturm an, geht über das Mittelfeld bis zur Verteidigung, es herrscht ein enormer Zusammenhalt im Team. Das macht einfach den Unterschied aus, man muss aber auch sagen, dass Wolfsburg einige Spielerinnen im Sommer verloren hat und wir uns gut verstärkt haben. Wir haben einen sehr breiten und gut aufstellten Kader und von dem her bin ich ganz froh, dass wir aktuell oben stehen.

Nach fünf Einwechslungen zu Beginn der Saison hast du dich relativ schnell zur Stammspielerin entwickelt, bist bisher in acht von 13 Bundesligaspielen in der Startelf gestanden. Wie kommt es, dass dir die Integration ins Team so gut und schnell gelungen ist?

Mir ist es extrem leicht gefallen, weil mich die Mädels super aufgenommen haben. Sportlich braucht man immer etwas Anlaufzeit. Umzug, neue Mannschaft, das ist immer eine Umstellung. Ich bin einfach sehr froh, dass ich bisher so viel Spielzeit bekommen habe. Aber es kann bei unserem Kader wirklich jede Spielerin von Anfang an am Platz stehen, wir haben eine unglaubliche Qualität und das zeichnet uns aus. Natürlich freut es mich, dass es für mich persönlich dabei so gut läuft.

Du warst vorher bei Turbine Potsdam bei einem reinen Frauenfußball-Klub im Einsatz. In München spielst du für die Frauen-Abteilung des FC Bayern. Was sind die größten Unterschiede?

Es sind natürlich die gesamten Infrastrukturen um einiges anders als in Potsdam. Wir haben hier ja den Bayern-Campus, du hast hier Topbedingungen mit Plätzen mit Rasenheizung, Athletikräumen - einfach alles, was du brauchst, um wirklich professionell arbeiten zu können. Das war in Potsdam ein wenig anders. Man merkt einfach, dass die finanziellen Möglichkeiten ganz anders sind. Potsdam war sehr familiär, ich habe mich dort in der Mannschaft, im Verein, extrem wohlgefühlt, aber hier ist doch Bayern München und da merkt man auch in der Frauen-Abteilung, dass hier sehr professionell gearbeitet wird.

Mit deinem Wechsel nach München hast du dich einem europäischen Topteam angeschlossen. Was waren die größten Anfangsschwierigkeiten bei der Umstellung? Hat sich das sportliche Niveau im Vergleich zu deiner Zeit in Potsdam gesteigert?

Unterschiedlich. Es war schon noch einmal ein Schritt nach oben. In jeder Trainingseinheit muss man immer 100 Prozent geben und voll da sein, weil das Spieltempo doch noch einmal etwas anderes ist. Wir haben hier bei Bayern München top-internationale Spielerinnen im Kader und so trainiert man auf diesem Niveau. Es war schon bei Potsdam ein sehr gutes Niveau und war für meine Entwicklung sehr wichtig, aber bei den Bayern ist das doch noch einmal weiterer Schritt nach oben.

Du hast euren Teamzusammenhalt angesprochen. Im österreichischen Nationalteam präsentierst du dich gerne als Stimmungsmacherin. Eine Aufgabe, die du in München auch schon übernommen hast? Oder überlässt du da noch anderen den Vortritt?

Ich bin auf jeden Fall eine Person, die für gute Laune außerhalb des Platzes sorgt. Ich bin einfach ein sehr lebensfroher Mensch und für jeden Spaß zu haben und das ist in München nicht anders. Also ähnlich wie im Nationalteam. (lacht)

Mittlerweile hast du deinen Platz im Bayern-System als Abräumerin vor der Defensive gefunden. Inwiefern hat es dir auch geholfen mit Carina Wenninger eine routinierte Spielerin hinter dir zu haben, die du auch aus dem Nationalteam bestens kennst?

Das hat sehr geholfen. Ich bin mit der Carina schon lange befreundet, wir kennen uns schon seitdem ich 17 bin und die Freundschaft ist außerhalb des Platzes bei Bayern München nochmal gewachsen. Aber auch am Platz ist sie sehr wichtig, Carina ist eine der verlässlichsten Spielerinnen überhaupt, ihre Statistiken sprechen da für sie und ich bin sehr froh, jemanden wie sie zu haben.

Vor deinem Wechsel nach München, warst du vier Jahre bei Turbine Potsdam aktiv, bist dort sogar zur Mannschaftskapitänin gereift. Der Abschied im Sommer ist dir mit Sicherheit nicht leicht gefallen. Wann hat sich der Gedanke bei dir gefestigt, dass du dich bereit für den nächsten Schritt fühlst? Wie bist auf das Interesse von Bayern München aufmerksam geworden?

Wir haben auch Spielerberater ähnlich wie bei den Männern. Ich wusste, dass mein Vertrag in Potsdam im Sommer ausläuft, habe damals auch nicht ausgeschlossen zu verlängern, aber ich wollte mir einfach mal anhören, was so möglich wäre. Als dann das Interesse von München gekommen ist, war die Entscheidung zwar nicht leicht, aber es war mir relativ klar, dass ich das versuchen möchte. Es ist doch nochmal eine sportliche Herausforderung bei einem europäischen Spitzenklub zu spielen und von dem her bin ich sehr froh, den Schritt gewagt zu haben. Aber der Abschied fiel mir natürlich nicht leicht.

War es für dich klar, dass du in Deutschland bleiben möchtest oder hast du mit dem Gedanken gespielt, in eine andere Topliga wie England oder Frankreich zu wechseln?

Ich war allem gegenüber relativ offen, England hätte mich wirklich interessiert. Aber wie dann das Münchner Angebot gekommen ist, war ich schnell überzeugt. Es ist doch ein Wunschverein von mir, ein europäisches Spitzenteam und natürlich ist die Nähe nach Hause ein extremer Luxus. Ich war jetzt doch acht Jahre weg von Zuhause und jetzt fahr ich einfach eineinhalb Stunden und bin in Salzburg. Das war zwar nicht der Hauptgrund, aber ein zusätzlicher Bonus.

Kommen wir zu deinem Spielstil. Dein Spiel ist sehr körperbetont, du bist eine sehr zweikampfstarke Spielerin, die den Ball an sich reißt, die Bälle verteilt und das Spieltempo bestimmt. Inwiefern hat dir deine Auslandserfahrung in Amerika im Rahmen deines Stipendiums in dieser Hinsicht geholfen?

Ich glaube sehr viel. Zu dem Zeitpunkt, als ich damals nach Amerika gegangen bin, war ich nicht auf dem körperlichen Stand, wo ich jetzt bin. In Amerika wird im athletischen Bereich sehr viel gearbeitet, sowohl im College, als auch in den Profiligen. Der Schwerpunkt in Amerika ist einfach Krafttraining, Ausdauer und die körperliche Situation und daher war das damals ein wichtiger Schritt für meine Entwicklung. In Europa steht dann doch wieder das taktisch-technische Spiel im Vordergrund und das war eine gute Kombination.

Mit 19 Jahren den Sprung über den großen Teich zu wagen und in Amerika eine völlig andere Welt kennenzulernen, klingt nach einem sehr mutigen Schritt. Inwiefern hat dich diese Erfahrung geprägt? Was hast du mitnehmen können auf persönlicher Ebene von deinem vierjährigen Aufenthalt?

Ich hab' sehr viel mitnehmen können, es war ja doch mein erster Aufenthalt von Zuhause weg. Man wird selbstständiger, man lernt viel dazu, wie man alleine klarkommen muss. Dazu die Spracherfahrungen und generell der College-Lifestyle. Das ist eine komplett andere Welt, das kannst du dir wirklich vorstellen, wie in den Filmen. Du hast da den Campus, das ist wie eine kleine Stadt und da bist du anfangs auf dich alleine gestellt, musst mit deinen Englischkenntnissen irgendwie durchkommen, aber ich würde es sofort wieder machen.

2017 habt ihr mit dem Österreichischen Nationalteam bei der EM in den Niederlanden euer ganz eigenes Sommermärchen mit dem Einzug ins Halbfinale geschrieben. 2018 bist du zu Österreichs erster "Fußballerin des Jahres" gewählt worden. Damals war der Hype um den Frauen-Fußball in Österreich sehr groß, welche positiven Effekte hast du seitdem bemerken können?

Wir haben damals beim Nationalteam gezeigt, was möglich ist, wenn man geschlossen auftritt. Das Ganze hat den Frauenfußball in Österreich einfach viel präsenter gemacht und ich glaub' das Wichtigste, das wir damals erreichen konnten, war, dass wir junge Mädels zum Fußball gebracht haben. Das ist jetzt auch noch immer ein Ziel von mir und vielen anderen, dass die Breite was Frauenfußball betrifft, größer wird und die Mädels sehen, dass es auch als junge Spielerin möglich ist, in Österreich zu spielen, etwas zu erreichen und Ansehen zu bekommen. Leider ist vom Hype, was die österreichische Liga betrifft, nicht so viel übrig geblieben, das Interesse ist weiterhin noch sehr gering, aber mit einer erfolgreichen EM-Qualifikation können wir uns wieder zeigen und den eingeschlagenen Weg weitergehen.

Mit der Mannschaft seid ihr auf dem besten Weg euch für die EM 2022 zu qualifizieren. Währenddessen gab es im vergangenen Sommer den Wechsel vom langjährigen Teamchef Dominik Thalhammer zu Irene Fuhrmann. Kam er für dich überraschend? 

Ja, das war doch sehr überraschend, weil wir das anfangs auch nur durch die Medien mitbekommen haben. Es hat dann natürlich noch Gespräche mit dem Dominik gegeben und wir wünschen ihm da nur das Allerbeste, es ist natürlich eine Topgelegenheit für ihn. Für uns war das eine neue Möglichkeit, auch im Nationalteam etwas zu verändern und wir haben das als Chance gesehen. Die Frau Fuhrmann macht das bis jetzt super, wir befinden uns auf einem guten Weg mit ihr, den wir weitergehen wollen, sie ist eine sehr gute Trainerin und es macht Spaß, mit ihr zu arbeiten.

Bevor du nach Potsdam gewechselt bist, warst du in deiner Salzburger Heimat für den FC Bergheim aktiv. Eine Frauen-Fußball-Akademie wie man sie in St. Pölten bzw. seit 2019 auch in Graz vorfindet, sucht man im Westen Österreichs vergeblich. Wie wichtig wäre es, dass hier Salzburg auch nachzieht? Mit Red Bull wäre ja ein interessanter Partner mit dem nötigen Kleingeld vorhanden.

Ich würde das als sehr wichtigen Schritt für den Frauenfußball in Österreich sehen. Man sieht das ja bei RB Leipzig, die auch mit der Frauenmannschaft etwas sehr Gutes aufgezogen haben und die auch auf einem super Weg in die deutsche Bundesliga sind. Das wäre auch in Österreich wichtig, wenn die großen Vereine das Potential im Frauenfußball sehen und das unterstützen. Von dem her kann man nur hoffen, dass in den nächsten Jahren Vereine wie Rapid, Red Bull Salzburg und so weiter aufspringen und den Frauenfußball unterstützen.

Das Interview führte Max Augustin

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