15.06.2015 16:09 Uhr

Koller: "Sind noch nicht bei EM"

Marcel Koller hat gut Lachen, bleibt aber auf der Euphoriebremse
Marcel Koller hat gut Lachen, bleibt aber auf der Euphoriebremse

Die Müdigkeit nach einer langen Nacht war Marcel Koller noch anzumerken, als Österreichs Teamchef am Montag den 1:0-Sieg über Russland analysierte. Der Schlafentzug ließ sich allerdings leicht verschmerzen, schließlich scheint die Teilnahme an der EM 2016 in Frankreich durch den historischen Erfolg in Moskau nur noch Formsache zu sein. Davon will Koller aber noch nichts wissen.

Schon mit vier Punkten aus den letzten vier Qualifikationsspielen würde die rot-weiß-rote Auswahl den ersten Turnier-Startplatz auf sportlichem Wege seit der WM 1998 realisieren. Sollte das kommende Heimspiel am 5. September gegen Moldau gewonnen werden und gleichzeitig Russland daheim nicht gegen Schweden gewinnen, hätte man schon drei Runden vor Schluss das Frankreich-Ticket fixiert.

Allerdings wies Koller darauf hin, dass die theoretische Möglichkeit des Scheiterns nach wie vor besteht. "Wir sind noch nicht bei der EM", betonte der Schweizer, gab aber auch zu: "Es sieht sehr gut aus und wir sind auf dem richtigen Weg."

"Noch nicht in den europäischen Top-Teams"

In der kommenden FIFA-Weltrangliste wird das ÖFB-Team als zehnt- oder elftbestes europäische Nationalmannschaft geführt werden. "Doch ich würde das nicht so hoch ansetzen. Wir sind noch nicht bei den europäischen Top-Teams", betonte Koller.

Bei aller Freude über den Auftritt in Moskau sah Koller auch die eine oder andere Unzulänglichkeit bei seinen Schützlingen, vor allem was die Arbeit in der Defensive betrifft. Der eine oder andere müsse sich "in den Hintern kneifen" und noch mehr für die Unterstützung der Abwehr leisten, mahnte der 54-Jährige.

Außerdem bemängelte Koller die fehlende Effektivität bei der Chancenauswertung. "Wir hätten mehr Ruhe reinbringen und das 2:0 machen müssen. So war es bis zum Schluss hektisch und spannend. Das braucht man auch nicht immer als Trainer."

Zumindest die Schlussphase kostete Koller nicht mehr allzu viele Nerven - seine Mannschaft brachte den Vorsprung im Finish relativ ungefährdet über die Zeit. "Ich habe mich darüber gefreut, dass wir uns in den letzten zehn Minuten nicht eingeigelt, sondern auch weit vorne attackiert haben."

Lob für die Einstellung

Besonders angetan war Koller von der Darbietung vor dem Seitenwechsel. "Es war für mich vor dem Spiel nicht sicher, ob wir in Russland frech auftreten, doch zumindest in der ersten Hälfte war das so." Der Teamchef lobte seine Kicker dafür, dass sie im letzten Match der Saison und bei hohen Temperaturen noch einmal an ihre Grenzen gegangen waren. "Sich noch einmal so reinzuschmeißen, war fantastisch."

Den Erfolg über den WM-2014-Teilnehmer wertete Koller als großen Schritt im Reifeprozess seiner Mannschaft. "Solche Spiele braucht man, um weiter nach vorne zu kommen." Eine ähnliche Bedeutung misst der Schweizer rückblickend dem 2:2 in der WM-Quali im März 2013 in Irland bei, als David Alaba kurz vor Schluss den Ausgleich erzielte. "Da haben die Spieler gemerkt, dass wir nicht nur gut spielen, sondern auch Ergebnisse erzielen können."

Trotz des Fehlens von Alaba wurde Russland in der laufenden EM-Quali zweimal besiegt. Dennoch sehnt Koller die Rückkehr seines Star-Spielers herbei. "Wir hätten es lieber, wenn er immer dabei wäre, aber es ist auch wichtig, dass ich nicht groß herumlamentiere. Wir sind froh, wenn er wieder gesund zurückkommt und die Mannschaft noch stärker macht."

Auch ohne den Bayern-Legionär reichte es am Sonntag zu einem Erfolg, weil Marc Janko mit einem spektakulärem Fallrückzieher zur Stelle war. "Seine Vereinssituation war nicht immer gut, doch wir haben nie an seinen Qualitäten gezweifelt. Er ist immer für wichtige Tore gut", lobte Koller seinen Goalgetter.

"Ballon geschaffen"

Der Nationaltrainer hielt auch in schwierigen Zeiten zu Janko und anderen Kickern, denen phasenweise ebenfalls die Spielpraxis fehlte. Es entstand ein Stamm, der sich durch Qualität und Gemeinschaftsgefühl auszeichnet. "Das aktuelle Team ist sehr stark, homogen und eine verschworene Gemeinschaft", erklärte Koller. "Wir haben einen Ballon geschaffen, in dem sich die Spieler wohlfühlen. Wenn sie bei ihrem Klub oder privat Probleme haben, werden die hier weggeschwemmt."

Dennoch handle es sich bei der ÖFB-Auswahl nicht um eine geschlossene Gesellschaft. "Wenn wir das Gefühl haben, ein Spieler ist gut drauf und ist besser als die, die wir bei uns haben, versuchen wir, das auszunützen und ihn zu holen", meinte Koller, schränkte aber auch ein: "Es gibt immer die Möglichkeit, reinzukommen, doch dafür braucht man große Klasse. Ich möchte eine Mannschaft formen, die wir nicht bei jedem Lehrgang ändern müssen. Das hat sich bisher bewährt."

Der nächste Lehrgang steigt am 30. oder 31. August, wenn Janko und Co. die Vorbereitung auf die Quali-Partien gegen Moldau (5. September in Wien) und Schweden (8. September in Solna) aufnehmen. In diesen Partien könnte der EM-Startplatz geholt werden, doch Koller blickt sich schon vorher um eine mögliche Unterkunft in Frankreich um. "Wir sind dran und versuchen, das Optimum zu finden. Aber es ist jetzt zu früh zu sagen, wo wir sein könnten", erklärte der Nationaltrainer.

Mehr dazu:
>> Der Glaube versetzte den Berg
>> Janko bejubelt sein wichtigstes Team-Tor
>> Ergebnisse und Tabelle Gruppe G

apa

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten