11.06.2025 07:20 Uhr

ÖFB-Kicker demonstrieren nach "Horror" Zusammenhalt

Schweigeminute vor Spielbeginn
Schweigeminute vor Spielbeginn

Wohl noch nie hat Österreichs Nationalteam einen Sieg derart schaumgebremst bejubelt wie das 4:0 in der WM-Qualifikation am Dienstag in San Marino. Die ÖFB-Kicker schlichen nach dem Schlusspfiff langsam zu der mit 1.500 österreichischen Fans gefüllten Tribüne und brachten die obligatorische Welle nur zaghaft hinter sich. Danach versammelten sich Marko Arnautovic und Co. rund um das in Schwarz gehaltene Transparent mit zwei weißen Kreuzen und der Aufschrift "Graz".

Der Amoklauf in der steirischen Landeshauptstadt wenige Stunden zuvor hatte die Spieler in eine Art Schockzustand versetzt. Mit Marcel Sabitzer, Michael Gregoritsch und Romano Schmid standen in Serravalle drei Akteure auf dem Platz, die in Graz aufgewachsen sind. "Im Endeffekt ist Fußball so eine Sache, die Menschen zusammenbringt, und wo man Zusammenhalt demonstrieren kann. Das haben wir versucht zu zeigen", sagte Sabitzer mit ruhiger Stimme. "Wir hoffen, dass es irgendwie besser wird."

Sabitzer gedachte den Betroffenen in Graz. "Wenn man schon mal selber Sachen erlebt hat, die nicht so schön sind und Schicksalsschläge, dann kann man da mitfühlen", meinte der 31-Jährige, der selbst noch Freunde und Familienangehörige in der Steiermark hat. "Man hat sich erkundigt, wie die Lage ist, wie die Situation ist. Es sind alle natürlich sehr geschockt. Und wie gesagt, es nimmt einen ja selbst auch mit."

Lob für Fanaktionen

Dennoch war es für die ÖFB-Spieler alternativlos, in Serravalle anzutreten. "Vielleicht hat man irgendwelche Leute trotzdem erreicht und konnte man die ablenken in schwierigen Stunden", hoffte Sabitzer. Ähnlich sah es Gregoritsch, der nach seinem Tor zum 2:0 kaum jubelte: "Wir haben unseren Job in den ersten 35 Minuten sehr, sehr gut erledigt. Und das war das Mindeste, was wir hier tun können, dass wir zumindest den einen oder anderen Prozent Freude nach Hause bringen."

Eine Absage sei von Spielerseite kein Thema gewesen. "Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir als Gruppe dann eben nicht aufhören, für Österreich auch da zu sein", meinte Gregoritsch. "Wir sind das höchste Nationalteam. Und ich glaube, dass es nicht immer richtig ist, dann zu weichen." Trauerflor und Trauerminute seien den Spielern aber wichtig gewesen.

Dazu kamen die mitgereisten Fans, die auf ihre ursprüngliche Choreographie verzichteten und sich mit den Opfern und Angehörigen der tödlichen Attacke in Graz solidarisierten. "Unser Land ist nicht immer so schlecht, wie wir vielleicht denken", lobte Gregoritsch. "Wir sind schon sehr, sehr vereint in vielen Dingen, und trotzdem darf so etwas nie wieder passieren. Das ist fürchterlich. Es ist leider so nahe, und das ist das Schlimme." Der ÖFB-Stürmer ist laut eigenen Angaben nur zehn Minuten von der betroffenen Grazer Schule entfernt aufgewachsen.

Arnautovic besorgt

Völlig konsterniert zeigte sich auch Arnautovic, der in San Marino zwei Tore schoss, sich mit nun 41 ÖFB-Treffern dem Rekord von Toni Polster (44) annäherte, aber nicht über Fußball sprechen wollte. "Fragt mich gar nichts über das Spiel. Ich freue mich nicht, mich interessiert es nicht", betonte der Wiener vor Journalistinnen und Journalisten. Er sei in Gedanken nur bei dem gewesen, was in Graz passiert sei. "Weil es ist Horror. Ich musste den ganzen Tag schon meine Emotionen zurückhalten."

Seine Frau und seine Töchter waren im Stadion. Primär wollte Arnautovic zu ihnen. "Wir haben alle Familien zuhause, wir haben alle Kinder zuhause. Wir sollten über die Sicherheit unserer Kinder reden", meinte der 36-Jährige. "Auf das Fußballspiel kommt es überhaupt nicht an. Ich habe überhaupt keine Lust mehr, hier über Fußball zu reden." Respekt bekundete der Ersatzkapitän von David Alaba für das Auftreten der Mannschaft und der Fans. "Aber wir sollten uns an diesem Tag eigentlich nicht freuen."

Mit gemischten Gefühlen reagierte auch Mathias Honsak, der sein erstes Länderspiel absolvierte. "Es ist für jeden Österreicher, egal ob aus Graz, aus Wien, aus Tirol oder Salzburg, ein Riesenschock. Das hat einfach keinen Platz in der Welt, das tut mir richtig weh im Herzen", erklärte der Wiener. Andererseits war da mit 28 Jahren seine A-Team-Premiere. "Ich bin schon ein bisschen glücklich über mein Debüt - 4:0 gewonnen, aber was in Graz passiert ist, überschattet dann doch alles ein bisschen. In so einer Situation muss man zusammenhalten."

Auf Laimer und Sabitzer wartet Klub-WM

Der Großteil der ÖFB-Kicker verabschiedet sich nun in den Urlaub. Einzig Konrad Laimer und Sabitzer fliegen mit Bayern München bzw. Borussia Dortmund noch zur Club-WM in die USA. "Es ist ein Privileg, wenn man da dabei sein kann", sagte Sabitzer über das erstmals mit 32 Teams ausgetragene Turnier. "So viele werden da in meiner Karriere nicht mehr dazukommen." Den kommenden Sommer wollen dann mehr ÖFB-Spieler in Nordamerika verbringen. Eröffnet wird die "echte" WM am 11. Juni 2026, also in genau einem Jahr.

apa

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