12.02.2021 07:54 Uhr

Rieder: "Wir sind noch enger zusammengerückt"

Florian Rieder zählt bei der WSG Tirol zum Stammpersonal
Florian Rieder zählt bei der WSG Tirol zum Stammpersonal

Der sportliche Abstieg im Vorjahr, dann der unerwartete Klassenerhalt und momentan auf dem besten Weg, sich für die Meistergruppe der Bundesliga zu qualifizieren. Florian Rieder erlebt mit der WSG Tirol ein Wechselbad der Gefühle und ist mit den Tirolern das aktuelle Team der Stunde. Im Interview mit weltfussball äußert sich der 24-jährige Mittelfeldakteur zum derzeitigen Höhenflug der WSG, dem Abstieg-/Nichtabstiegsdrama im vergangenen Sommer und wo er in Zukunft gerne einmal auflaufen würde.

>> Die Vereinsstatistik von Florian Rieder in der weltfussball-Datenbank

Mit 24 Punkten liegt die WSG Tirol nach 15 Spieltagen auf dem starken fünften Platz, weist sechs Punkte Vorsprung auf die siebtplatzierte Wiener Austria auf und konnte in dieser Saison mit Siegen gegen den LASK oder Rapid auch schon die großen Teams zur Verzweiflung bringen. Mittendrin Florian Rieder, der als Stammkraft keinen unwesentlichen Anteil am aktuellen Erfolgslauf der Truppe von Thomas Silberberger hat und sich nach seinem Tirol-internen Wechsel von Wacker Innsbruck zur WSG zu einem wichtigen Pfeiler beim Überraschungsteam der Bundesliga entwickelt hat.

Im Interview mit weltfussball gibt der 24-jährige Mittelfeldspieler einen Einblick, warum es in dieser Saison so gut für seinen Klub läuft, wie er das Drama um den sportlichen Abstieg bzw. Nicht-Abstieg erlebt hat und wo er sich in Zukunft gerne noch beweisen würde.

weltfussball: Die WSG befindet sich nach dem Fast-Abstieg in der vergangenen Saison zurzeit auf einem absoluten Höhenflug. Wie erklärst du dir den aktuellen Erfolgslauf?

Florian Rieder: Es hat im Sommer einen Riesenumbruch gegeben nach dem Nicht-Abstieg. Es ist ein Riesentausch passiert in der Mannschaft, viele Spieler sind weggegangen, dafür hat die sportliche Leitung aber viele junge, hungrige Spieler geholt, die noch viele Ziele erreichen wollen. Es war ja nicht so, dass wir direkt vom Sommer weg in einen echten Lauf gekommen sind, sondern das ist über den Herbst und Winter dann immer besser geworden und mittlerweile sind wir auf einem sehr guten Weg. Wir haben uns als Mannschaft gefunden, wir verstehen uns auch außerhalb des Platzes sehr gut, das Klima innerhalb der Mannschaft ist gesund, da ist es egal, ob jemand mal spielt oder nicht spielt. Wir fühlen uns einfach wohl und dann ist das natürlich umso schöner, wenn so ein Erfolgslauf dabei rauskommt.

Hat dieser sportliche Nicht-Abstieg durch den Konkurs des SV Mattersburg die Mannschaft noch enger zusammengeschweißt?

Unter den Spielern, die nach der letzten Saison geblieben sind, mit Sicherheit. Wir haben uns gesagt: So etwas werden wir nie wieder erleben. Bereits in den letzten Spielen vor Saisonende war jedes Match ein echter Kampf, man ist da ständig unter Druck gestanden und das war auch für die Psyche eine ordentliche Herausforderung. Der Abstieg dann war natürlich schlimm, aber ich denke, dass es auch den gesamten Verein ausgezeichnet hat, dass wir in der damaligen Situation noch enger zusammengerückt sind und daraus sehr viel gelernt haben.

Welche Schlüsse konnte man aus der ersten Bundesliga-Saison im letzten Jahr ziehen? Nach 15 Runden hat man aktuell doppelt so viele Punkte am Konto wie im vergangenen Jahr zum selben Zeitpunkt. An welchen Schrauben hat man gedreht?

Wir spielen mit einer ganz anderen Mannschaft als im letzten Jahr. Jetzt haben wir einen Altersdurchschnitt von 24/25 in der Startelf, das war letztes Jahr schon deutlich höher. Allein das macht schon einen Riesenunterschied, bei uns sind jetzt viele junge Spieler, die Ziele haben, die bissig sind und wo hinkommen wollen und das macht viel aus. Heuer ist das Mannschaftsklima einfach überragend, wir sind wirklich alle sehr gute Freunde und das erlebt man doch ziemlich selten. Das wirkt sich dann auch auf den sportlichen Erfolg aus und hat sich im Vergleich zum Vorjahr stark verändert.

Du hast die Verjüngung im Kader angesprochen. Ihr habt bei der WSG generell eine gesunde Mischung aus jungen Spielern und sehr viel Routine. Wie wichtig ist diese Balance?

Mittlerweile sind es schon mehr junge als ältere Spieler, aber es ist schon wichtig, ein paar Routiniers wie einen Zlatko Dedič, einen Thanos Petsos, einen Fabian Koch oder auch einen Ferdinand Oswald im Team zu haben, sodass du für jede Spielposition zumindest einen routinierten Spieler hast. Das sind Leute, die helfen uns Jungen extrem, weil sie einfach viel Erfahrung haben und Verantwortung übernehmen, wenn es mal nicht so gut läuft. Diese Balance ist sehr wichtig.

Kommen wir noch einmal zum Abstiegs-/Nichtabstiegsdrama im vergangenen Sommer. Wie hast du generell davon im letzten Sommer erfahren? Was ist dir als erstes durch den Kopf geschossen?

Als ich das erste Mal davon gelesen habe, hat es mich echt überrascht, dass so etwas überhaupt passieren kann. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich als junger Bub oder auch als erwachsener Mann so etwas Ähnliches erlebt hätte, dass ein Absteiger doch in der Bundesliga bleibt, weil ein anderes Team einen kompletten Zusammenbruch erlitten hat. Ich hab' mir dann nicht viele Gedanken gemacht, es liefen ja die Lizenzverfahren und irgendwie denkt man dann schon, die werden das noch hinkriegen und die Lizenz eh bekommen. Aber als dann immer mehr herausgekommen ist und die Situation sich zugespitzt hat, ist auch langsam die Erkenntnis und die Freude gekommen, als es offiziell wurde, dass wir mit Wattens in der Liga bleiben. Man will ja als Spieler dann auch etwas gut machen, dem Verein etwas zurückgeben und daher war ich sehr froh, dass wir da noch eine Chance bekommen haben und die bis jetzt so gut genutzt haben.

Der vermeintliche Abstieg mit der WSG Tirol wäre für dich ja doppelt schlimm gewesen, weil du das mit Wacker Innsbruck vor zwei Jahren auch schon miterleben musstest. Durch deinen Wechsel zur WSG Tirol bist du aber der Bundesliga erhalten geblieben. Dein Transfer ging damals aber mit einigen Nebengeräuschen über die Bühne. Wie belastend war diese Situation? Fühlt man sich da als Spieler wie ein blinder Passagier?

Das war generell keine feine Zeit, einerseits ist das mit dem Bundesliga-Abstieg passiert und andererseits war ich ja zu 99 Prozent für die zweite Mannschaft in der 2. Liga aktiv, wo wir sehr erfolgreich gespielt haben und dann dennoch absteigen mussten. Im Frühjahr 2019 kam das Interesse der WSG, die ja dann auch aufgestiegen sind und da ich vorher nur ein paar Minuten Bundesliga gespielt hatte, wollte ich diese Chance einfach nutzen. In Innsbruck hatte ich noch Vertrag und meine damalige Beraterfirma meinte, dass alles geklärt ist und wir nach Wattens zur Vertragsunterzeichnung fahren können, aber was dann wirklich passiert ist, versteh' ich selbst immer noch nicht ganz. Da muss sehr viel schiefgelaufen sein, das war keine leichte Zeit. Ich war da sehr präsent in den Medien in Tirol vor allem, ich habe viele Anrufe und Nachrichten bekommen, was da los ist und die Wacker-Fans waren teilweise auch sauer, weil es so gewirkt hat, dass mir an Wacker nichts liegt. Was natürlich nicht der Fall war, aber man muss auch meine Situation damals verstehen, ich hab in der Bundesliga eigentlich keine Rolle gespielt, hab' dann die Chance bekommen, in die Bundesliga zu gehen und wollte den Schritt machen. Ich bin aber Wacker extrem dankbar für alles.

Der Wechsel zur WSG Tirol hat sich für dich als Glücksfall erwiesen. Du bist seit zwei Saisonen Stammspieler, warst letztes Jahr mit sechs Assists der Top-Vorlagengeber des Teams und hast auch in der aktuellen Situation bereits fünf Scorerpunkte sammeln können. Wie siehst du deine persönliche Entwicklung?

Im letzten Jahr hab' ich sehr viel in der Zentrale gespielt, dieses Jahr agieren wir oft in einem 4-4-2, weswegen ich sehr oft über den linken Flügel komme, aber teilweise immer noch viel im Zentrum unterwegs bin. Im letzten Jahr konnte ich zwar kein Tor erzielen, aber einige Assists sammeln, jetzt steh' ich aktuell bei zwei Toren und drei Vorlagen, was gut ist, mit dem ich aber noch lange nicht zufrieden bin, weil ich weiß, dass mit der Mannschaft mehr möglich ist. Mir liegt die Position am linken Flügel und es macht mir aktuell viel Spaß, dort zu agieren.

Wie wichtig ist es in so einem Erfolgslauf, einen Trainer wie Thomas Silberberger zu haben, der euch auch immer wieder auf den Boden der Realität zurückholt. Stichwort: Wenn es dem Esel gut, geht er aufs Glatteis tanzen.

(lacht) Wir sind sehr froh, so einen Coach wie den Thomas Silberberger zu haben, weil es doch andere Trainertypen gibt, die bei so einem Erfolgslauf anders reagieren und auch nach außen vermitteln, dass man unbedingt dort oben bleiben muss. Aber unser Trainer holt uns wirklich an jedem Trainingstag zurück auf den Boden, es heißt arbeiten, arbeiten, arbeiten, bodenständig bleiben und in der jetzigen Situation einfach weiter nur von Spiel zu Spiel zu schauen. Wir müssen jeden Tag hart trainieren, um dann bei den Spielen alles geben zu können, wir haben ja auch schon in dieser Saison gesehen, wenn wir nicht alles geben, dass es schnell in die andere Richtung geht. Wir müssen einfach jede Woche zu 110 Prozent da sein.

Sollte die Qualifikation für die Meistergruppe gelingen, wäre der Europacup aber wahrscheinlich durchaus ein Thema bei euch im Team.

Wenn man auf so einem Platz steht, hat man für sich selbst natürlich auch das Ziel, da drinnen zu bleiben. Aber wir haben klar gesagt nach dem letztjährigen Fastabstieg, dass der Klassenerhalt das große Ziel im gesamten Verein ist und wir in der Bundesliga bleiben wollen. Natürlich ist die Tabellensituation jetzt so, dass wir da oben mal mitmischen, aber wichtig sind die nächsten Spiele gegen Salzburg, den SKN und auch der Nachtrag gegen Hartberg, wo wir wieder punkten müssen. Aber natürlich wollen wir als Spieler weiter angreifen, doch das Hauptziel bleibt der Klassenerhalt, alles andere ist ein schöner Zusatz.

>> Liveticker: WSG Tirol gegen Red Bull Salzburg

Apropos Ziele: Mit 24 Jahren befindest du dich im besten Fußballeralter, hast bereits 48 Bundesligaspiele in den Knochen, zudem Erfahrungen in der 2. Liga und im ÖFB-Cup. Was sind weitere persönliche Ziele von dir? Gibt es eine Liga, wo du dich in Zukunft gern sehen möchtest?

Aktuell bin ich zu 100 Prozent mit dem Kopf bei der WSG und der aktuellen Saison, aber es war schon immer mein Traum, in Deutschland in der ersten oder zweiten Liga zu spielen und dafür werde ich alles tun. Bis jetzt habe ich viel geschafft dafür, dass ich eigentlich relativ spät Profi geworden bin und mit 17/18 nur zwei-/dreimal die Woche trainiert habe, während andere in dem Alter schon weitaus professioneller unterwegs waren. Das ist mein Traum und dafür arbeite ich. Jetzt will ich aber einfach gesund bleiben, die Saison erfolgreich weiterspielen und der Rest kommt von ganz allein.

Max Augustin

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