14.11.2020 10:23 Uhr

Julian Brandt und das Problem mit dem "Aber"

Julian Brandt vom BVB sieht sich einiger Kritik ausgesetzt
Julian Brandt vom BVB sieht sich einiger Kritik ausgesetzt

Joachim Löw hat den Druck auf Julian Brandt erhöht. Der hochtalentierte Offensivspieler soll seine unbestrittenen Fähigkeiten konstanter abrufen.

Wenn Joachim Löw über Julian Brandt spricht, folgt auf ein Kompliment meist immer ein "Aber". "Er hat so viel Können", sagte der Bundestrainer erst kürzlich wieder, "er ist aber ein bisschen schwankend in seiner Leistung."

Die Konstanz ist das große Problem des technisch hochveranlagten Offensivspielers. An einem überragenden Tag muss er sich fußballerisch vor keinem Spieler in der Nationalmannschaft oder in der Bundesliga verstecken, an einem schlechten ist er bestenfalls ein Mitläufer. Von einem Spieler, der sowohl beim Topklub Borussia Dortmund als auch in der Nationalmannschaft um einen Stammplatz kämpft, muss man mehr erwarten.

Löw jedenfalls erwartet mehr, das hat er nach dem 1:0-Länderspielsieg am vergangenen Mittwoch in Leipzig gegen Tschechien, als Brandt vor allem durch eine ausgelassene Großchance aufgefallen war, bekräftigt. "Wenn er seine Schnelligkeit und Technik ausspielt, ist er gefährlich und gut, dann kann er uns helfen", sagte Löw, ehe er wieder einmal ein großes "Aber" folgen ließ: "Aber er muss die nächste Hürde überspringen."

BVB-Star "frustrierend für einen Trainer"

Diese Forderung, die manche Medien auch als Kritik verstanden, kann Ex-Nationalspieler Michael Ballack voll nachvollziehen. Brandt mache "aus seinen Möglichkeiten viel zu wenig", sagte der RTL-Experte. Auch für Dietmar Hamann ist es "frustrierend" zu sehen, "dass so ein talentierter Spieler" seit einigen Wochen "gar keinen Einfluss auf Spiele nimmt".

Brandt muss sich strecken, ansonsten droht ihm in der DFB-Auswahl und beim BVB die Dauerrolle als Reservist. Auch im Verein läuft es in der Saison alles andere als rund: Von sieben Ligaspielen bestritt er nur eines über die volle Distanz, ein Treffer oder eine Torvorlage gelang ihm dabei nicht. Vorne hat ihm Giovanni Reyna den Rang abgelaufen, das Experiment als Achter und Sechser verfolgt BVB-Trainer Lucien Favre mit Brandt nicht mehr.

Um seine EM-Teilnahme muss der 24-Jährige aber nicht fürchten, es sei denn, er verliert im Verein komplett den Anschluss. "Er wird immer mein Vertrauen haben", hatte Löw erst vor einem Monat betont. Der Bundestrainer schätzt auch das Unberechenbare an Brandt - und das will sich der Freigeist trotz aller berechtigter Kritik an der fehlenden Konstanz bewahren.

"Ich liebe es seit meiner Kindheit, ins Risiko zu gehen, den Ball durch enge Korridore zu spielen oder mich im Eins-gegen-eins durchzusetzen", sagte er einmal im Kicker. Er sei nie der Typ gewesen, "der im Mittelfeld den Ball annimmt und ihn wenige Meter quer zum Mitspieler schiebt." Das könne er zwar auch, "aber das wäre dann nicht ich".

Authentizität ist wichtig im Profifußball, doch im Löw-Sinne muss ein "Aber" folgen: Konstanz ist noch wichtiger.

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