20.04.2021 08:37 Uhr

Schlager: "Viele haben uns das nicht zugetraut"

Xaver Schlager hat sich in Wolfsburg etabliert
Xaver Schlager hat sich in Wolfsburg etabliert

Seit mittlerweile fast zwei Jahren beackert Xaver Schlager das Mittelfeld beim VfL Wolfsburg und ist unter Oliver Glasner eine wichtige Konstante in der Mannschaft des deutschen Bundesligisten. Mit Tabellenplatz drei nimmt man aktuell Kurs auf die Champions League, im Gespräch mit weltfussball äußert sich der ÖFB-Teamspieler zum Höhenflug der "Wölfe" in der laufenden Saison.

>> Die Vereinsstatistik von Xaver Schlager in der weltfussball-Datenbank

49 Bundesligaspiele hat Xaver Schlager mittlerweile für den VfL Wolfsburg in den Beinen, in 45 davon stand er in der Startelf, unter Oliver Glasner hat sich der ÖFB-Teamspieler seit seinem Wechsel von Red Bull Salzburg zu einem fixen Ankerpunkt entwickelt und greift mit seiner Mannschaft aktuell nach der Teilnahme an der Champions League.

Nach einer gröberen Verletzung zu Beginn seiner Debütsaison, kämpfte sich der 23-jährige Mittelfeldmotor wieder erfolgreich zurück in die Startformation und bildet gemeinsam mit Maximilian Arnold auf der Doppel-Sechs das Herzstück der Wolfsburger Mannschaft. Im Gespräch mit weltfussball wirft der 19-fache Nationalspieler Österreichs einen Blick auf den bisherigen Saisonverlauf, äußert sich zum Abschneiden des ÖFB-Teams in der WM-Qualifikation und verrät, was er an Österreich besonders vermisst. 

weltfussball: In der aktuellen Saison läuft es für euch richtig rund. Ihr liegt auf Tabellenplatz drei und stellt die zweitbeste Defensive der Liga. Wie bewertest du den bisherigen Saisonverlauf? Habt ihr euch selbst überrascht?

Xaver Schlager: Es ist eine gute Saison bisher. Wir haben vor allem sehr viele enge Spiele für uns entscheiden können, was sehr wichtig war und sehr viele Punkte ausgemacht hat. Bei uns ist die Entwicklung stetig besser geworden und das macht sich in dieser Saison bemerkbar. Wir haben uns fußballerisch sehr gut weiterentwickelt und stehen berechtigt auf dem Platz. Jetzt müssen wir aber dranbleiben und die Leistung bestätigen, dass wir da auch oben bleiben.

Vor allem im Jahr 2021 habt ihr richtig aufgedreht. Habt in den vergangenen 15 Ligaspielen neun Siege gefeiert und nur zwei Niederlagen kassiert. Wieso hat es etwas gedauert, bis die Mannschaft das Spielsystem von Oliver Glasner verinnerlicht hat?

So etwas dauert einfach bis man die Abläufe verinnerlicht hat und die Automatismen sitzen. Dann gibt es Phasen, wo man nicht das nötige Glück hat, dann wieder schon und so kommen schnell solche Serien raus. Ich glaube, dass wir sehr gut in die Rückrunde gestartet sind, der Anfang der Saison verlief mit der Doppelbelastung ja nicht so gut, das ist jetzt anders und daher sind wir besser ins neue Jahr gestartet. Jetzt kennt jeder die Abläufe, jeder weiß was er zu tun hat und das ist der Lohn der harten Arbeit. 

Was zeichnet Oliver Glasner als Trainer aus? Dein Mitspieler Maximilian Arnold hat ihn letztens als einen seiner besten Trainern bezeichnet, unter denen er bisher spielen durfte. Wie siehst du seine tägliche Arbeit mit der Mannschaft?

Er ist ein sehr akribischer, detailversessener Trainer, der aus jeder Mannschaft das Maximum herausholen will. Er hat eine klare Spielphilosophie und Spielidee, die er durchzieht. Unter der Woche arbeitet er sehr viel mit der Mannschaft, will uns ständig weiterbringen und verbessern und das setzt er knallhart um. Wenn ihm etwas nicht passt, spricht er das klar an und sagt, was er haben möchte. Er ist hier sehr deutlich und will einfach den bestmöglichen Erfolg mit dem Team haben.

Stichwort: Das Maximum herausholen. Inwiefern hat er dich als Spieler noch einmal weiterbringen können? Ihr habt ja beide Red Bull Salzburg-Vergangenheit, da kam dir mit Sicherheit einiges auch schon bekannt vor.

Jeder Trainer bringt dich auf eine Art und Weise weiter, der eine mehr, der andere wenige. Natürlich waren mir einige Dinge aus der Red Bull-Philosophie schon bekannt und dadurch habe ich mich leichter getan, aber es gibt auch genügend Punkte, wo ich mich unter Oliver Glasner verbessert habe. Generell entwickelt man sich gemeinsam mit der Mannschaft, mit besseren Gegnern und Teamkollegen immer weiter, das greift ineinander und macht einen persönlich besser.

Bei den absolvierten Spielminuten zählst du zu den Top 5 der Wolfsburger. Hast dich nach deinem Wechsel und dann auch nach deiner Verletzung relativ schnell zum Stammspieler gemustert. Wieso fiel dir der Umstieg von der österreichischen Bundesliga auf die deutsche so leicht?

Der Unterschied zwischen den beiden Ligen ist schon groß. Ich bin zwar aus der österreichischen Liga nach Deutschland gewechselt, kam aber von Red Bull Salzburg und Red Bull Salzburg ist doch ein Topverein auf internationalem Niveau, der in jeder Liga locker mitspielen kann. Es ist schon ein Unterschied von welchem Verein man da kommt, daher war es für mich nicht so die große Umstellung, weil in Salzburg bereits ein hohes Niveau herrschte, sodass der Schritt nicht zu groß war. Natürlich ist es etwas anderes und die Liga ist allgemein besser, aber Red Bull Salzburg könnte in der Bundesliga auch locker mitspielen und eine gute Figur abgeben.

Das Herzstück der Wolfsburger-Mannschaft wird von dir und Maximilian Arnold gebildet. Siehst du dich trotz deiner erst 23 Jahre mittlerweile schon mehr in der Rolle des Anführers und Leitwolfs auf dem Spielfeld? Für den Ballsack wirst du nach dem Training wohl nicht mehr allzu häufig zuständig sein.

So etwas ist immer schwierig zu sagen. Es muss jeder in der Mannschaft Verantwortung übernehmen, egal wer spielt. Auf dem Platz bin ich sicher lauter unterwegs als andere und versuche meine Mitspieler zu pushen, Kommandos zu geben, was wichtig ist, wenn man in der Mitte spielt und viele Spieler vor sich hat. Da versucht man zu coachen, weil es dem Team sehr hilft und dadurch entwickelt man sich stetig weiter. Wir sind generell eine sehr geschlossene Mannschaft, pushen uns alles gegenseitig und wenn mal etwas nicht passt, dann besprechen wir das intern klar an und daher kommen wir gut zurecht miteinander.

Wo musstest du zulegen im Vergleich zur österreichischen Liga? Wo gab es Nachholbedarf körperlich, aber auch spielerisch? Konntest du dir etwas abschauen von den routinierteren Teamkollegen?

Man kann sich immer etwas abschauen, ob das die Teamkollegen oder die Gegner sind, da gibt es keine Grenzen. Sicherlich ist die österreichische Liga vom Niveau her anders. Wenn wir bei Salzburg nur 90 Prozent unseres Fassungsvermögen abgerufen haben, hat das manchmal auch zum Sieg gereicht, weil wir dort sehr dominant waren. Das funktioniert hier in der Bundesliga überhaupt nicht, da musst du jedes Spiel 100 Prozent da sein, weil der kleinste Fehler hier bestraft wird. Dadurch lernt man aber sehr viel, man braucht etwas Eingewöhnungszeit, aber für mich war das kein allzu großes Problem.

Anders als ehemalige Salzburg-Teamkollegen hast du dich nicht für einen Wechsel zu RB Leipzig, sondern zum VfL Wolfsburg entschieden. Rückblickend die richtige Entscheidung?

Es war für mich der richtige Schritt, weil ich sofort sehr viel Spielzeit bekommen habe und mich sehr gut entwickeln kann. Wir haben hier ein super Team, einen guten Verein, der für eine klare Philosophie steht und das zeigen wir am Platz. Man merkt, dass wir über die Saison immer besser geworden sind, viele haben uns das vielleicht nicht zugetraut, aber wir haben gewusst, wo unsere Stärken sind und was wir erreichen können, wenn wir sie abrufen. Aktuell funktioniert das ganz gut und deswegen war das bisher sicher ein guter Schritt für mich.

Inwiefern profitiert ihr als Mannschaft auch vom ruhigen Umfeld in Wolfsburg? Man steht hier doch weitaus weniger medial im Fokus als bei anderen Klubs, selbst jetzt wo ihr so erfolgreich seid. Ist das auch ein Mitgrund, warum ihr so befreit aufspielen könnt?

Das hat Vor- und Nachteile. Wenn man da vorne steht und weniger über einen geschrieben wird, kann das hilfreich sein, weil man seine Ruhe hat. Andererseits fragt man sich, ob man überhaupt wahr genommen wird. Das ist schwer zu sagen, aber sicherlich tut mir persönlich die Ruhe besser, weil man einfach ohne Nebengeräusche konzentriert arbeiten kann und das ist für uns als Mannschaft bestimmt kein Nachteil. 

Seit mittlerweile fast zwei Jahren bist du nun schon in Deutschland aktiv. Was geht dir am meisten von der österreichischen Heimat ab? Gerade auch in Zeiten von Corona, wo es noch schwerer ist den persönlichen Kontakt zu pflegen? Lässt sich das einigermaßen kompensieren?

Das kann man nur schwer kompensieren. Man lebt in einem anderen Land, mit einer anderen Kultur, da muss man sich einfach anpassen. Mittlerweile habe ich mich gut eingelebt, bin sehr zufrieden und habe ein gutes Umfeld. Was mir vielleicht am meisten abgeht aus Österreich ist das gute Wetter. Das ist besser und nicht so windig wie hier oben. (lacht)

Du betonst immer wieder, einen groben Plan für deine Karriere zu haben. Meinst aber auch, dass man sich selbst nicht zu viel Druck machen soll. War das ein Erfolgsgeheimnis, warum du dich bei Salzburg gegen doch einige talentierte Nachwuchsspieler durchsetzen konntest?

Puh, das weiß ich ehrlich gesagt nicht und ist wohl bei jedem Spieler anders. Jeder hat da seine eigenen Bedürfnisse und seine individuellen Ticks und Tricks. Es ist auf jeden Fall ganz wichtig, dass man bei all der Ernsthaftigkeit den Spaß am Fußball nicht verliert. Es ist unsere Leidenschaft und das, was wir am liebsten tun, das sollten wir nie vergessen. Natürlich herrscht Druck, aber jeder geht damit anders und muss seinen eigenen Weg finden. Bei mir hat es so funktioniert, doch da spielen natürlich viele Faktoren mit. Es ist es schwer zu sagen, was das Entscheidende war, es geht ein Rädchen ins andere über und dann geht es entweder auf oder halt nicht.

Im Nationalteam bist du ebenfalls eine fixe Größe unter Franco Foda. Die Auftritte in der WM-Qualifikation waren allerdings durchwachsen, es setzte herbe Kritik an dem Team und dem Teamchef. Für dich nachvollziehbar? Oder ist die Erwartungshaltung in Österreich mittlerweile fast zu hoch?

Ich glaube, dass die Erwartungshaltung in Österreich sehr hoch ist, was ich nicht immer ganz nachvollziehen kann. Damit müssen wir leben, die Fans wollen nunmal etwas sehen und erleben. Natürlich ist das nicht optimal, wenn wir mit vier Punkten aus drei Spielen in die Quali starten. Das ist nicht das, was wir erreichen wollten. Wir wissen, dass wir einige Sachen verbessern müssen, aber zum Beispiel die 0:4-Niederlage gegen Dänemark hat nicht das gesamte Spiel widergespiegelt. Wären wir in der ersten Halbzeit in Führung gegangen, dann geht es ganz anders aus und alles dreht sich. Man sollte nicht immer nur zwischen überragend und Vollkatastrophe hin und her schwenken, sondern das geordnet einschätzen. Es war mit Sicherheit keine gute Leistung, aber es war auch kein Kreisliga-Niveau von uns. Wir können nur daran arbeiten, uns auf die EM vorbereiten und dann wird man sehen was dabei rauskommt.

Kannst du die Kritik an Franco Foda verstehen, dass er zu wenig aus dem Spielerpotential macht, dass ihm zur Verfügung steht? Würde ein offensiverer Spielstil mehr zur Mannschaft passen?

Das ist immer so eine Geschichte. Gegen Schottland haben wir in Schottland zwei Tore gemacht, das ist vor uns länger keinem anderen Team mehr gelungen. Da lief es offensiv gut für uns. Als Außenstehender ist es immer schwierig, Kritik zu äußern, aber das ist halt das Fußballgeschäft. Am liebsten würden wir alle spielen wie der FC Barcelona in den Jahren unter Pep Guardiola, wo sie alles weggehauen haben, aber dass das wahrscheinlich unrealistisch ist, darüber brauchen wir nicht groß reden. Jeder hätte das gerne, das kann ich verstehen, aber manchmal ist das einfach nicht möglich. Wir müssen uns die Ergebnisse hart erarbeiten und ich bin ganz ehrlich: Wenn wir 1:0 gewinnen und haben wenig zugelassen, bin ich damit mehr zufrieden, als wenn wir 3:4 verlieren oder 4:4 spielen.

Wo wir wieder bei der hohen Erwartungshaltung in Österreich wären…

Sicherlich waren die Ergebnisse nicht gut und überzeugend, das wissen wir alle und müssen wir verbessern. Man muss aber auch beachten, dass wir uns in einem völlig ungewohnten Jahr befinden. Mit  drei Spielen hintereinander, was sonst nicht der Fall ist. Man hat überhaupt keine Trainingsphasen, früher hatte man wenigstens bis Freitag immer Training, ehe die Spiele kamen. Jetzt hast du dafür keine Zeit, weil man kommt gerade von einem Spiel und muss sich dann wieder regenerieren für das nächste. Das sind alles Faktoren, die einfließen und die man beachten muss. Natürlich hatte Dänemark die selben Voraussetzungen und die haben das viel besser umgesetzt, das muss man auch klar sagen. Das heißt für uns, an ein paar Stellschrauben zu drehen, um das dann auch so gut umzusetzen wie zum Beispiel die Dänen.

Werfen wir doch noch einen Blick auf die kommende EM. Wie weit siehst du die Mannschaft? Was traut ihr euch zu?

Wir sind eine sehr gute Mannschaft, die jeden Gegner vor Probleme stellen kann und wird. Wenn uns das gelingt, ist unser Ziel natürlich so viele Spiele wie möglich zu gewinnen. Was dann dabei rauskommt, da muss man abwarten. Ich fahre mit der Motivation hin, Spiele zu gewinnen. Darum geht es und darauf werden wir uns gezielt vorbereiten. Nach der Europameisterschaft können wir dann ein Fazit ziehen, ob wir das geschafft haben oder nicht.

Max Augustin 

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