21.11.2016 16:00 Uhr

Folgenschwere Sünden der Rapid-Führung

Aktuell haben Christoph Peschek und Michael Krammer keinen Grund zum Lachen
Aktuell haben Christoph Peschek und Michael Krammer keinen Grund zum Lachen

Die 1:2-Pleite am Sonntag zum Abschluss der 15. Bundesliga-Runde bei RB Salzburg schmeichelte Rapid gewaltig. Das verpatzte Trainerdebüt von Damir Canadi war aber nur der neueste Beweis für die folgenschweren Sünden der Rapid-Führung. Ein Kommentar.

Zehn Punkte hinter Platz eins. Zehn Punkte vor dem Schlusslicht. Der österreichische Rekordmeister ist in der Saison 2016/17 nur Mittelmaß. Mit Tendenz nach unten. Die Trennung von Sportchef Andreas Müller und Chefcoach Mike Büskens sowie wenig später des gesamten Betreuer-Teams zeigte in der Länderspielpause die gesamten Probleme im Umfeld der Grün-Weißen auf.

Beim ersten Spiel unter Neo-Trainer Canadi entgingen die Hütteldorfer glücklich einem Debakel. Das Endergebnis von 2:1 für Titelverteidiger Salzburg gaukelt Spannung vor, die es nie gab. Rapid wurde in den ersten 45 Minuten vom stark auftrumpfenden Meister in alle Einzelteile zerlegt. weltfussball begibt sich auf Spurensuche für die katastrophale sportliche Lage bei Rapid.

"Ich habe das zu übernehmen"

Vor dem Spiel war noch die Hoffnung spürbar. Bei den mitgereisten Rapid-Fans, Funktionären, Spielern und auch beim neuen Coach selbst. Doch Damir Canadi ließ es in einem seiner Statements bereits durchklingen, was er kurz danach auf dem Spielfeld schmerzlich präsentiert bekam: "Die Mannschaft ist so zusammengestellt worden von den Vorgängern. Ich habe das zu übernehmen und muss das spielen, was die Mannschaft am besten umsetzen kann, dabei geht es ja nicht um mich."

Die Zusammenstellung seiner Vorgänger präsentierte sich erschreckend. Von hinten bis vorne. Außenverteidiger wie Mario Pavelić (hielt vor dem 0:1 seine Position nicht ein) und Thomas Schrammel (ging vor dem 0:2 beim "Kopfballduell" vor dem Ball in Deckung) sowie die zentrale Abwehr mit Mario Sonnleitner (wurde beim ersten Tor schwindlig gespielt) und Maximilian Hofmann (wie bei seinen Nebenleuten gravierende Mängel in der Spielintelligenz) machten etwa klar, warum Rapid seit sieben Ligaspielen in Folge nicht zu Null spielen konnte.

Zur Pause lag man "nur" mit 0:2 zurück, hatte keinen einzigen Schuss auf das gegnerische Tor verzeichnet und konnte glücklich sein, nicht schon da weit mehr Gegegentreffer kassiert zu haben. Für Rapid-Geschäftsführer Christoph Peschek wäre ein Gang in die Kirche, um Seegen von oben zu erbeten, sinnvoller gewesen als sein Auftritt beim TV-Interview. Dort sprach er etwas von "long list" und "short list" bei der Kandidaten-Suche nach einem neuen Sportchef. Zum Fußball hatte der Ex-Politiker auch eine Meinung, besser man verschweigt sie.

Peschek und Rapid-Präsident Michael Krammer hatten schon vor der Saison mit dem Einzug ins neue Stadion klar gemacht, worum es geht: Die Mission 33. Erstmals seit 2008 sollte die Schale wieder zurück nach Hütteldorf. Wer am Sonntag die Mannschaft in den grünen Dressen sah, der kann sich nur fragen: Auf welcher Mission ist die Rapid-Führung eigentlich?

Sportliche Kompetenzlosigkeit wird bestraft

Beim SK Rapid wurde im Sommer trotz der stillosen Trennung von Coach Zoran Barišić kurz vor dem Saisonstart und dem Verlust der kompletten starken linken Seite mit Assistkönig Florian Kainz sowie Stefan Stangl eine Erwartungshaltung geweckt, die völlig unrealistisch war: Nur die Meisterschaft zählt.

Wer Rapid in Salzburg untergehen sah, der weiß: Diese Mannschaft ist ganz weit entfernt von einem Meistertitel. Der Abgang von Ex-Torgarant Robert Berić ist in Hütteldorf bis heute durch keinen seiner vielen Nachfolger wie Matej Jelić, Joelinton, Maximilian Entrup, Giorgi Kvilitaia oder Tomi kompensiert worden.

Natürlich leidet Rapid auch am Verletzungspech: Ausfälle wie aktuell von Philipp Schobesberger, Stefan Schwab, Steffen Hofmann oder Christopher Dibon erschweren die Lage enorm. Mit Schobesberger fehlt der einzige echte Flügelturbo seit Monaten, andere schnelle Außenspieler gibt es im Kader von gleich 29 Spielern nicht. Dieses Versagen in der Transferpolitik von Ex-Sportboss Müller sollte mit dem Aufrücken des erst 17-jährigen Kelvin Arase kaschiert werden. Ein kläglicher Versuch.

Für Ivan Močinić als erhofften neuen Mittelfeldmotor und Arnór Ingvi Traustason, der bei der EM mit seinem Siegestreffer für Island das ÖFB-Team nach Hause geschickt hatte, waren Vereinsrekordsummen ausgegeben worden. Močinić begann stark und baute seither noch stärker ab, Traustason gelang ein schönes Derbytor und sonst nichts. Millionen-Investitionen, die in keiner Relation zur Leistung stehen.
>> Müllers Büro als (ehemalige) Rapid-Baustelle

Die Wahrheit ist den Rapid-Fans zumutbar

"Oft Glück ist Können und oft Pech ist das Gegenteil davon!" Mit diesem Satz versuchte sich Rapid-Präsident Krammer bei der Ablöse vom Duo Büskens/Müller als Wortakrobat. Vom Titel hat er in seiner Ära an der Vereinsspitze schon oft gesprochen, aber noch keinen einzigen gewonnen. Ziemlich oft Pech.
>> Rapid-Präsident als verbaler Schaumschläger

"Wir konnten unseren absoluten Wunschkandidaten für uns gewinnen", verkündete Krammer wenig später bei der Präsentation des neuen Cheftrainers Damir Canadi. "Er hat in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass er als Trainer über herausragende Qualitäten verfügt und mit der Größe seiner Aufgaben wächst." Die Aufgabe könnte nicht größer sein.

Damir Canadi sah nach der bitteren Auftaktpleite in Salzburg der Realität ins Auge. Bei der Pressekonferenz sprach er die Schwachstellen seiner Mannschaft schonungslos an. 

Frei nach der Devise die Wahrheit ist den Rapid-Fans zumutbar. "Wir haben die Leistung nicht auf den Platz gebracht. Egal ob es um Technik, Tempospiel oder um Abwehrverhalten gegen den Ball gegangen ist. Der Gegner hätte schon zur Pause weit höher führen müssen", so Canadi.

"Nach dem Wechsel war unsere Organisation besser. Wir waren aber nicht in der Lage uns Chancen zu erarbeiten. Pass-Spiel, Konsequenz, Zielstrebigkeit oder Mut: Ich denke es haben viele Dinge gefehlt, um in Salzburg etwas mitzunehmen."

Zu viele Legionäre mit zu wenig Qualität

Wenig später wurde der Rapid-Coach sogar noch deutlicher: "Man hat gesehen, dass ich noch viel Arbeit habe, sonst hätte es auch den Trainerwechsel nicht gegeben."

Dann rückte speziell die Leistung seiner Legionäre in den Mittelpunkt: "Ich mache mir Sorgen, weil wir neun Ausländer im Kader haben. Ein Ausländer muss für mich 20 Prozent besser sein, als ein Österreicher. Auf dieser Ebene haben wir viel Luft nach oben. Da werde ich in Zukunft eher einem Jungen die Chance geben, als jemand, der nicht die 100 Prozent erreicht."

Canadi legte auf Nachfrage nach: "Wenn Du ins Ausland gehst, dann musst Du Leistung abrufen. Ich bin aber mit diesen Leistungen nicht zufrieden. Es sind neun Legionäre da, aber nur sechs dürfen auf den Spielbericht. Da muss ein Konkurrenzkampf her. Ich habe auch junge Talente mit Qualität, wenn sie gleichwertig sind, dann wird der Österreicher spielen."

Anmerkung: Mit Tamás Szántó sind es sogar zehn Legionäre. Der aus dem Rapid-Nachwuchs hochgezogene Ungar fällt wegen seiner Jugend mit 20 Jahren aber (noch) nicht in die Regelung für den "Österreicher-Topf". Ex-Coach Büskens überlegte sogar offen im Meisterschaftsfinish auf diesen keine Rücksicht zu nehmen. Bei einem Verein, der sich in den vergangenen Jahren stets zum Einbau der eigenen Nachwuchsspieler deklariert hatte.

Sportchef Müller durfte aber munter drei ausländische Spieler zu viel holen. Kontrollfunktion in den eigenen Reihen? Keine. Vielleicht erhält in Zukunft ja so sogar noch der Ausdruck "long list" von Geschäftsführer Peschek einen Sinn.

Mehr dazu:
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>> Salzburg spielt Rapid an die Wand
>> Bundesliga-Ergebnisse und Tabelle

Christian Tragschitz

Damir Canadi Österreich 06.05.1970
07.11.2016 - 10.11.2016 Thomas Hickersberger Österreich 21.08.1973
01.07.2016 - 06.11.2016 Mike Büskens Deutschland 19.03.1968
17.04.2013 - 30.06.2016 Zoran Barišić
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