28.05.2014 10:54 Uhr

Stunde der Wahrheit für Marcel Koller

Marcel Koller - der große Hoffnungsträger auf der ÖFB-Betreuerbank
Marcel Koller - der große Hoffnungsträger auf der ÖFB-Betreuerbank

Österreichs Nationalmannschaft absolviert gegen Island (am Freitag ab 20:30 Uhr im weltfussball-Liveticker) und Tschechien die letzten beiden Testspiele für die EM-Qualifikation. Dann schlägt auch Teamchef Marcel Koller die Stunde der Wahrheit.

Der Schweizer galt bei seiner Bestellung als im rot-weiß-roten Fußball unbeschriebenes Blatt. Seine großen Erfolge als Aktiver (55-facher Nationalspieler und Kapitän der Grasshoppers, mit denen er sieben Meisterschaften sowie fünf Cupsiege feierte) und als Trainer (Meister mit St. Gallen und den Grasshoppers, dazu Bochum in der deutschen Bundesliga gehalten) wurden im östlichen Nachbarland achselzuckend zur Kenntnis genommen.

Es kam sogar wie es kommen musste: "Solche Trainer haben wir bei uns genügend", ließ Herbert Prohaska ausrichten und Hans Krankl setzte noch ein "Ich kenne Koller kaum und wäre für eine österreichische Lösung" drauf. Der Boulevard warf die Guillotine an und schrieb Koller schon vor seinem ersten Spiel als ÖFB-Teamchef um Kopf und Kragen.

Die Fans schöpfen wieder Hoffnung

Doch Österreich hatte die Rechnung ohne jene Menschen gemacht, die mit ihrer Nationalmannschaft seit 1998 und der letzten WM-Teilnahme alle Jammertäler durchgemacht hatten. Die Tragik einer verpassten Qualifikation nach der anderen wurde plötzlich durch eine junge Mannschaft mit Ausnahmespieler David Alaba beendet. Die Fans stürmten den Prater und peitschten das Team vor ausverkauftem Haus zu Heimsiegen gegen Schweden und Irland.

Nicht nur im Schweizerhaus nach dem Konsum mehrerer alkoholischer Getränke wurde Marcel Koller zu einem neuen nationalen Hoffnungsträger. Es machte Spaß seine Mannschaft zu sehen, eine Handschrift war erkennbar, Taktik war nicht mehr wie unter seinem Vorgänger überbewertet. Sogar auswärts fuhren tausende Schlachtenbummler nach Dublin, München oder Stockholm und stimmten dort ihr "immer wieder Österreich" an.

Am Ende stand jedoch erneut das Scheitern. Knapp aber doch wurde nicht einmal der Einzug ins Playoff geschafft. Ein gewisser Zlatan Ibrahimović sorgte dafür, dass der Traum von der Weltmeisterschaft platzte. Im Fußball sieht man sich aber meist öfter und das Los wollte es so, dass Österreich am 8. September in Wien die Chance zur Revanche bekommt. Dann geht es in der Qualifikation für die EM-Endrunde 2016 in Frankreich um Punkte.

Jetzt geht's um Alles oder Nichts

Dies wird auch zur Nagelprobe für Marcel Koller. Über 30.000 Abos wurden trotz erhöhter Kartenpreise für den Heimspiel-Dreierpack gegen Schweden, Montenegro und Russland abgesetzt. Das Feuer brennt schon jetzt. Die Erwartungshaltung ist eindeutig: Mit dieser Mannschaft muss man sich endlich wieder einmal für ein Turnier qualifizieren.

Die Aufstockung der Europameisterschaft auf 24 Mannschaften macht es möglich, dass dafür nicht nur der Gruppensieg sondern auch Platz zwei reicht. Sogar mit Rang drei lebt die Chance auf "Frankreich, wir kommen." Bei allem Respekt vor den Gruppengegnern, dass MUSS mit dieser Generation zu schaffen sein. Sonst ist auch der Teamchef gescheitert.

Von weltfussball darauf angesprochen redete Marcel Koller erst gar nicht lange um den heißen Brei herum: "Ich bin immer unter Kontrolle und unter Beobachtung. Hoffnungen oder Erwartungen können die Mannschaft und ich nicht beeinflussen. Es gibt in unserer Gruppe vielleicht diesmal nicht den Topfavoriten wie zuletzt mit Deutschland, aber Russland, Schweden, Österreich und Montenegro wollen alle zur EM."

"Wir denken, dass wir es auch schaffen können. Aber diese Qualifikation wird kein Selbstläufer, sondern auf Messers Schneide entschieden werden. Wenn wir auch nur bei einem Spiel nicht voll dabei sind, dann wird es nicht reichen", sprach der 53-Jährige Klartext.

Was ablenkt, wird fern gehalten

Um das große Ziel zu erreichen und sich selbst in Österreich ein sportliches Denkmal zu setzen lässt Marcel Koller nichts unversucht. Alle Ablenkungen werden so weit es nur irgendwie geht von der Mannschaft fern gehalten. Die volle Konzentration auf die tägliche Arbeit und den Job soll fest in den Köpfen der Spieler verankert werden.

Mit Nibelungentreue hält der Coach eisern an seinen Problemfällen Robert Almer oder Marc Janko fest. Das System Koller ist eine geschlossene Gesellschaft, auch wenn es der Teamchef bestreitet. Beim Training in Seefeld fährt der Mannschaftsbus zu einem eigenen Eingang, Fans und störende Journalisten sind ebenso tabu wie Besuche im Mannschaftsquartier. Der Planet Nationalmannschaft kreist in seiner eigenen kleinen Umlaufbahn um sich selbst. Ob mit Erfolg, dass wird man nach der EM-Qualifikation wissen.

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Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Seefeld

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