08.09.2015 11:25 Uhr

Vom Olymp runter in den Fußball-Hades

Und wieder jubeln die Anderen: Vor fast leeren Rängen unterliegt Griechenland gegen Finnland mit 0:1
Und wieder jubeln die Anderen: Vor fast leeren Rängen unterliegt Griechenland gegen Finnland mit 0:1

"Ohne Holland fahr'n wir zu EM!" schallte es am Montagabend schadenfroh aus dem Gästeblock im Glasgower Hampden Park. Der schwarz-rot-goldene Erzrivale der niederländischen Nationalmannschaft quittierte es mit Hohn und Spott, dass die Elftal nach der WM 2002 erneut vor dem Qualifikations-Aus zu einem großen Turnier steht.

Da geht es fast schon unter, dass es in den übrigen Qualifikationsgruppen noch ein weiteres namhaftes Team gibt, das sich nach mickrigen fußballerischen Leistungen und blamablen Auftritten bereits weit vor Ende der Qualiphase von der Endrunde in Frankreich 2016 verabschieden muss. weltfussball nimmt die größte Enttäuschung der EM-Qualifikation 2014/2015 unter die Lupe: die "Ethniki" aus Griechenland.

Angsthasenfußball auf hellenisch

Zwei Zahlen bringen auf den Punkt, woran es in der griechischen Nationalmannschaft seit dem Ausscheiden bei der letzten Weltmeisterschaft hapert: In acht EM-Qualifikationsspielen blieben die Griechen sechs Mal ohne eigenes Tor. Nach Pleiten gegen Rumänien, Nordirland und Finnland bleibt nur der letzte Platz in der Gruppe F, die im Vorfeld noch als eine der vermeintlich leichtesten, wenn nicht sogar die leichteste galt.

Tiefpunkt des fußballerischen Abstieges waren zwei Niederlagen innerhalb eines halben Jahres gegen die Färöer Inseln. Ja, gegen die Färöer Inseln – das Team mit den Schäfern und den Fischern in der Startelf. Trotz klangvollem Aufgebot mit international erfahrenen Offensivkräften wie Kostas Mitroglou, Georgios Samaras und Dimitrios Salpingidis schafften es die Hellenen bisher in keinem Spiel, spielerische Akzente zu setzen.

Achtmal hatten sie dazu immerhin schon die Möglichkeit. Die Fußballbegeisterung im Land ist längst zum Erliegen gekommen: Der 0:1-Pleite gegen Finnland am vergangenen Freitag wohnten gerade einmal 10.000 Zuschauer im Georgios-Karaiskakis-Stadion von Piräus bei.

Nach vorne geht nichts mehr

Seit dem Achtelfinal-Aus in Brasilien gegen Costa Rica haben die Hellenen vollkommen ihre fußballerische Identität verloren. Auf dem Feld ist das immer dann unübersehbar, wenn sie sich dutzendfach den Ball in der eigenen Hintermannschaft zuschieben, ohne eigene Ideen nach vorne zu entwickeln.

So zuletzt gesehen beim letzten Doppelspieltag mit dem 0:1 gegen Finnland und dem 0:0 gegen Rumänien am Montag. Die Mannschaft um die Bundesliga-Legionäre Kyriakos Papadopoulos und Sokratis Papastathopoulos bekommt im Offensivspiel nichts mehr zustande. Am Montagabend in Rumänien gab der Europameister von 2004 gerade einmal drei Schüsse ab, von denen nur einer am Tor ankam. Der letzte Tabellenplatz ist da nur die logische Folge.

Ranieri und Markarián - gescheitert und vom Hof gejagt

Zwei Trainer wurden bereits verschlissen: Claudio Ranieri wurde nach dem ersten Debakel gegen die Färöer nach nur drei Monaten aus dem Amt getrieben, als griechische Medien von einer "nationalen Schande" und "Katastrophe des Jahrhunderts" schrieben. Auch sein Nachfolger Sergio Markarián ist bereits voller Enttäuschung und ohne Lösungskonzepte zurückgetreten: "Ich entschuldige mich bei allen Fans für unsere schlechten Ergebnisse. Ich habe das Team in einer kritischen Phase übernommen und alles versucht", gab der Uruguayaner nach fünf Monaten im Amt auf.

Auch der als Cheftrainer weitestgehend unerfahrene Kostas Tsanas kann bisher nicht helfen. Er soll die miserable Qualifikation noch zu Ende führen, bevor es bei der "Ethniki" einen Neustart geben soll und muss.

"Ein Witz, über den man weltweit lacht"

Elf Jahre nach dem EM-Triumph von Portugal liegt der griechische Fußball am Boden. Bei den letzten drei Europameisterschaften und den letzten beiden Weltmeisterschaften waren die Griechen stets dabei und meisterten ihre Qualigruppen in der Regel sehr souverän.

Dass jetzt ein abgeschlagener letzter Tabellenplatz noch hinter Finnland und den Färöer Inseln zu Buche steht, wird in der griechischen Öffentlichkeit mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Schamgefühlen quittiert: "Nationale Erniedrigung" und "ein Witz, über den man weltweit lacht" sind nur eine Auswahl der Titulierungen aus der einheimischen Presse. Die erste Nicht-Teilnahme bei einer Europameisterschafts-Endrunde seit 2000 ist die Quittung für ein Fußballspiel ohne eigenen Spielstil, Offensivgeist und vor allem ohne Herz.

Gerade in der Gruppe F machen mit Mannschaften wie Nordirland und selbst den Färöern die Gegner regelmäßig vor, was auf mittlerem europäischen Niveau mit limitierter fußballerischer Qualität, dafür aber mit der richtigen Begeisterung für das Spiel erreicht werden kann.

Genau das war in der Rehhagel-Ära mit den hellenischen Fußball-Ikonen Karagounis, Dellas, Charisteas und Co. noch das Markenzeichen des griechischen Fußballs. Auch vor elf Jahren hatte Griechenland nicht die besten Fußballer in seinen Reihen, spielte aber mit kompromisslosem Einsatz, dem nötigen Mut und breitem Enthusiasmus auf und neben dem Platz. Alles Tugenden, die irgendwo zwischen Lissabon und Athen verloren gegangen sein müssen.

Mehr dazu:
>> Griechenland in der Euro-Qualifikation: Ergebnisse und Tabellen

Mats-Yannick Roth

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